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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Grace nur beiläufig, ihr Blick wurde von einem grellrosafarbenen Frangipani-Baum angezogen, der in der Mitte des englischen Gartens blühte. Die Frangipani auf Vannattupp u cci waren ebenfalls sehr schön, doch dieser Baum hatte etwas Besonderes. Vielleicht sollte ich George nachher dazu bringen, davor zu verweilen. Oder besser noch, Verstecken zu spielen. Während sie hinter dem Baum im Gras saß und es vermied, irgendeinen Laut von sich zu geben, würde er suchen können, bis er schwarz wurde.
    Ihretwegen hätte die Teegesellschaft noch Stunden dauern können, doch schließlich kam der gefürchtete Augenblick, in dem sich die Runde auflöste. Während Dean Henry mit in sein Arbeitszimmer bat, wo er ihm etwas zeigen wollte, verzog sich Victoria mit Clara in deren Zimmer. Die Damen der jeweiligen Häuser beschlossen, die Ruhe im schattigen Salon zu genießen – und Grace bekam von George Stockton den Arm angeboten.
    In diesem Augenblick beneidete Grace ihre kleine Schwester zutiefst, denn lieber hätte sie sich Claras langweilige Krankengeschichten angehört als gezwungene Konversation mit einem Mann zu betreiben, der so gar nichts Interessantes an sich hatte.
    George führte sie in den Garten – ein Ausflug in die Teeplantage oder ins angrenzende Pflückerdorf lehnte er kate­gorisch ab, weil man den Nachmittag nicht mit dem Be­obachten primitiver Menschen vergeuden sollte –, und auf ihren Wunsch hin begaben sie sich als Erstes zu dem prachtvollen Frangipani. Was wie ein Baum aussah, war in Wirklichkeit eine Vielzahl ineinander verschlungener Stämme. War dies der Natur zu verdanken oder der Hand eines geschickten Gärtners? Das Ergebnis war auf jeden Fall äußerst beeindruckend und wunderschön.
    »Etwas weiter hinten finden Sie einen Bodhi-Baum, von dem die Einheimischen behaupten, dass Buddha unter einem solchen erleuchtet worden sei«, sagte George, der aufgrund der Gewohnheit nichts Besonderes mehr an dem Anblick fand. »Dementsprechend treiben sie einen recht absurden Kult um dieses Gewächs. Nur strikte Verbote halten sie davon ab, ständig irgendwelche Blumen darunter abzulegen.«
    Grace dachte wieder an das Götterbild in ihrer Eingangshalle. Seit die Dienstmädchen sie dort beim Ablegen der Früchte beobachtet hatten und Victoria tatsächlich genesen war, nahm die Menge der Blüten darunter wieder zu. Sie hoffte inständig, dass ihr Vater sich von Stockton nicht einreden ließ, den Arbeitern und Pflückerinnen das zu verbieten.
    Als sie unter dem Baum mit den weit ausladenden Ästen standen, entdeckte Grace ein paar Papageien.
    »Oh, sehen Sie!«, rief sie aus. »Sind diese Vögel nicht schön?«
    George warf nur einen kurzen Blick darauf, dann sagte er: »Vor kurzem habe ich einen grünen Papagei erlegt, und es ist mir sogar gelungen, ihn auszustopfen, ohne dass er etwas von seiner Natürlichkeit eingebüßt hat.«
    Grace riss erschrocken die Augen auf, was der junge Stockton wohl als Bewunderung missverstand, denn er setzte hinzu: »Sie müssen wissen, dass das Präparieren von Tieren meine große Leidenschaft ist. Ich konserviere auf diese Weise auch Insekten und Falter. Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen meine Sammlung.«
    Grace fielen wieder die Trophäen in Vaters Herrenzimmer in Tremayne House ein. Tiere, die er selbst nicht erlegt hatte, die er aber der Erinnerung wegen behielt. Auch als sie schon älter war, hatten die schwarzen Glasaugen der Tiere ihr regelmäßig einen Schauder über den Rücken gejagt.
    »Nein, danke«, sagte sie rasch. »Ich beobachte die Tiere lieber in der Natur.«
    Wenn sie damit gehofft hatte, George von seinem Lieblingsthema abzubringen, irrte sie. Mit einem Feuer, das man dem blassen Jungen gar nicht zutraute, begann er, über den Vorgang der Präparation zu sprechen, was das Gefühl in Graces Magen noch verstärkte. Als er schließlich gestand, gerade ein Schmuckstück aus einem präparierten Papageienflügel als Weihnachtsgeschenk für seine Mutter zu fertigen, wurde es Grace endgültig zu viel.
    »Entschuldigen Sie mich bitte, ich fühle mich nicht wohl!«, sagte sie, ein wenig heftiger, als es eigentlich angebracht war.
    »Ich begleite Sie zurück!«, bot sich George an, doch Grace schüttelte den Kopf.
    »Nein, nicht nötig, ich möchte Ihnen nicht die Beobachtung Ihrer nächsten … Objekte verderben.«
    Damit wandte sie sich um und versuchte zunächst, so würdevoll wie möglich abzutreten. Doch als sie der Meinung war, genug Raum zwischen sich und

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