Die Schmetterlingsinsel
zusammen.
Während sie noch immer wie auf Wolken schwebte, wurde ihr klar, dass ihr Plan nicht funktioniert hatte, denn immerhin wusste sie so viel von dem Treiben zwischen zwei Menschen, dass der Mann sich in der Frau verströmen musste. Das hatte Vikrama – aus Rücksicht auf sie – offenbar nicht getan.
Eine Weile lagen sie schweigend nebeneinander und lauschten dem Atem des jeweils anderen.
»Sag, welchen Vornamen hast du eigentlich?«, fragte Grace, während sie den Kopf an seine Brust schmiegte. Ihr gesamter Körper kribbelte noch immer von dem Ausbruch der Lust. Dass ihr Plan nicht vollkommen funktioniert hatte, war Nebensache.
»Mein Name ist Vikrama, ich habe keinen anderen. Bei uns ist es nicht Brauch, Nachnamen zu vergeben.«
»Und wofür steht dann das R?«
»Für den Namen meiner Mutter. Eigentlich sollte dort der Buchstabe meines Vaters stehen, doch meine Mutter hielt seinen Namen geheim. Da sie Rani hieß, hat sie mir ihr R vermacht, wie es hier Brauch ist.«
»Also ist der einzige Hinweis auf deine Familie der erste Buchstabe eines Elternteils?«
»Ja, das ist hier Tradition.«
»Ist das nicht ziemlich verwirrend?«
»Ein bisschen schon, aber die meisten Leute passen auf, dass ihre Kinder nicht denselben Vornamen bekommen wie andere, bei denen eine ähnliche Kombination möglich ist.«
Wieder verstummten sie, und Grace wusste, dass sie bald zurück sein musste.
»Wollen wir das hier wiederholen?« Zärtlich lächelnd strich er über ihr Haar und ihre Wangen.
»Ja«, antwortete sie erhitzt. »Ich kann mir nicht vorstellen, je einen anderen Mann zu wollen.«
Sie küssten sich leidenschaftlich, dann sagte er: »Ich werde Kisah fragen, ob sie dir etwas von ihren Kräutern geben kann.«
»Warum denn das?«, wunderte sich Grace, worauf Vikrama ihren Bauch streichelte.
»Weil ich gern in dir bleiben würde, die ganze Zeit über, ohne dir ein Kind zu machen.«
Grace errötete und kam sich im nächsten Augenblick furchtbar naiv vor. Natürlich konnte sie schwanger werden, wenn sie mit einem Mann schlief! Dass Vikrama sich zurückgezogen hatte, dass er ihr jetzt den Vorschlag mit den Kräutern machte, zeigte nur, dass er ihr keinen Schaden zufügen wollte. Er konnte ja nicht ahnen, dass sie wollte, dass sein Same nicht auf tauben Boden fiel …
»Und du meinst, diese Kräuter helfen?«
»Keine unserer Frauen wird schwanger, wenn sie es nicht will. Solange sie nicht verheiratet sind, nehmen sie die Kräuter und nichts passiert. Nach der Hochzeit lassen sie sie weg und bekommen ein Kind.«
Während er sprach, streichelte er sie noch immer und weckte so erneut ihre Lust.
»Ich werde mich so lange zurückhalten, bis die Kräuter wirken.«
»Und wie lange soll das dauern?«
»Ein paar Tage. Dann besteht keine Gefahr mehr.«
Vannattuppucci Tea Company, 2008
Inzwischen war es Mitternacht geworden. Während Jonathan über den Geschäftsbüchern brütete, lehnte sich Diana zurück und drückte ihre Finger in die Augenwinkel. Ihr Kopf schwirrte, und ihr Körper wurde von einer seltsamen Erregung erfasst. Das Fundstück war einfach wunderbar, allerdings besaß es auch die furchtbare Macht, sie nicht mehr loszulassen.
Kein Liebesroman hätte solch eine Kraft entfalten können wie Graces Schilderungen von ihrer aufkeimenden Leidenschaft und dem Unheil, das Dean Stockton über sie zu bringen drohte.
Eigentlich hätte sie die Beichte ihrer Vorfahrin schockieren sollen, doch es lagen genug Jahre und viel Dunkelheit zwischen ihnen, dass sie in ihr nichts weiter sah als eine junge Frau, die sich unsterblich verliebt hatte und diese Liebe auch leben wollte – etwas Undenkbares in der damaligen Zeit.
»Sie sollten vielleicht doch besser ins Bett gehen«, bemerkte Jonathan, der schon ziemlich übernächtigt wirkte. Erst jetzt fiel Diana auf, wie spät es war. »Das Heft wird auch morgen noch da sein.«
»Ich bezweifle, dass ich nach dem, was ich hier lese, schlafen kann.«
»Ist es so schlimm?«
»Nein, eigentlich nicht schlimm, aber überraschend. Und auf alle Fälle skandalös für die damalige Zeit. Mittlerweile wird mir so einiges klar. Und gleichzeitig türmen sich die Fragen.«
»Wie wäre es mit einem kleinen nächtlichen Spaziergang«, schlug Jonathan vor und deutete auf das kleine Fenster, in dem die mondbeschienenen Fassaden des benachbarten Gebäudes sichtbar waren. »Die milde Abendluft hilft Ihnen vielleicht beim Ordnen der Gedanken.«
Das hatte Diana auch dringend nötig, denn
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