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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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hatten beinahe ihre gesamte Nacht verschlungen, und obwohl es ihr gelungen war, ein paar Stunden zu schlafen, fühlte sie sich wie erschlagen von der ­Auf­deckung des Verbrechens, das niemand mehr sühnen konnte.
    Während des Lesens war sie aufgrund der schreienden Ungerechtigkeit in Tränen ausgebrochen, doch Jonathan war da gewesen, hatte sie aufgefangen und gewiegt, hatte ihr die Kraft gegeben, weiterzulesen.
    Sie empfand es als gerecht, dass das schlechte Gewissen Cahill in den Wahnsinn getrieben hatte. Zu gern hätte sie Henry dasselbe gewünscht, doch er war, auch wenn er es nicht mehr mitbekommen hatte, auf andere Weise gestraft worden. Nach und nach war sein über Jahrhunderte gepflegter Familienstammbaum verödet, sein Name mit den beiden Töchtern verschwunden, und letztlich gab es nur noch Nachkommen von dem Zweig, den er am liebsten ausgemerzt hätte. Offenbar gab es auf der Welt doch so etwas wie Karma.
    Beim Frühstück trafen sie auf Manderley, der sie beinahe abwartend ansah, aber zu schüchtern war, ihr gleich die Frage zu stellen, die ihm am meisten auf der Seele brannte.
    »Haben Sie gut geschlafen?«
    Diana schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, aber das ist nicht schlimm. Ich bin von Ihrem Fundstück wach gehalten worden und weiß nun, was mit meiner Ururgroßmutter passiert ist.«
    »Aha …« Nervös knetete der Verwalter seine Hände. Der sonst so selbstsicher wirkende Mann erschien Diana auf einmal wie ein Junge, der eine Strafe erwartete.
    »Es ist wirklich starker Tobak, der sich unter den Buchdeckeln verbirgt.« Auch wenn er nicht fragte, spürte Diana doch, dass er gern wissen wollte, was sein Ahne angestellt hatte.
    »Er hat meinen Ururgroßvater getötet und unter dem Teefeld verscharrt«, offenbarte sie ihm. »Danach haben ihn Stimmen heimgesucht, die schließlich zu seiner Einlieferung ins Colombo Asylum führten. Jene Irrenanstalt, die in meinem alten Stadtführer als Sehenswürdigkeit aufgeführt war.«
    »Die Menschen hatten früher eben ein wenig andere Ansichten«, entgegnete Manderley verlegen, aber auch ein bisschen erleichtert. »Ich habe mir schon gedacht, dass mein Vorfahr einen Mord begangen hat, anderenfalls hätte man ihn nicht verschweigen müssen. Stellen Sie sich vor, in unserer alten Familienbibel ist sein Name durchgestrichen. Irgendwer muss das Geständnis gelesen haben, vielleicht sogar seine eigene Frau, doch dann war es schon zu spät für eine Verfolgung. Wenn ich mich richtig erinnere, starb Cahill zwei Monate nach Einlieferung ins Irrenhaus, indem er seine eigene Zunge verschluckte.«
    »Schrecklich«, raunte Diana, während sie sich vorzustellen versuchte, wie die letzten Stunden dieses Mannes ausgesehen haben mochten. Gutmütig, wie Grace war, hätte sie ihm solch ein Schicksal nicht gegönnt. Oder etwa doch?
    »Es tut mir leid wegen Ihrer Vorfahren«, sagte Manderley betreten. »Ich wusste schon immer, dass es einen dunklen Schatten auf unserer Familie gibt. Einen Grund, warum wir nicht von hier loskommen.«
    »Das muss es nicht. Es ist lange her, und Ihre Familie hat nichts mit den Taten Ihres Vorfahren zu tun. Und sollte es doch einen Schatten geben, so ist er jetzt vergangen, denn Sie haben Licht auf die Geschehnisse von damals geworfen.«
    Manderley nickte, dann wandte er sich dem kochenden Teewasser zu.
    Mit dem guten Gefühl, keine weiteren Informationen mehr zu benötigen, um das Geschehen zu rekonstruieren, packte Dia­na am Nachmittag ihre Tasche, dann griff sie nach dem Brief. Eigentlich erwartete sie von ihm keine große Überraschung mehr, dennoch trug sie ihn in Jonathans Zimmer, weil damit der letzte Stein ins Mosaik gerückt werden konnte.
    »Es ist so weit«, verkündete sie ihm, als er von seinem Gepäck aufsah. »Wir nehmen Abschied von Vannattupp u cci , also können wir ihn öffnen.«
    Jonathan nahm sie bei der Hand und zog sie mit sich auf die Bettkante.
    Nachdem sie tief durchgeatmet hatte, brach Diana das Siegel und zog die beiden Briefbögen heraus.
    Mein sehr verehrtes Haus,
    zwanzig Jahre sind vergangen, seit unsere Familie nach Van­nat­tuppu¯cci kam, Deine Räume in Beschlag nahm und versuchte, sie mit Leben zu füllen. Nun werde ich diesen Ort für immer verlassen, als glückliche Frau und Mutter meiner kleinen Deidre, die mittlerweile schon 12 Jahre alt ist. Jemand muss sich um Tremayne House kümmern, bevor es gänzlich verfällt. Da meine Schwester Grace von meinem Vater aus der Erbfolge gestrichen wurde, sehe ich

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