Die Schmetterlingsinsel
vielleicht ungünstig?«
»Nein, nein, keine Sorge, ich freue mich, dass du anrufst. Du hast meine Nachricht also erhalten?«
»Ja, und ich dachte mir, wenn du so eilig klingst, hast du eine Sensation für mich.«
»Nicht ganz, ich habe erst einmal alles von vorn bis hinten fotografiert und Proben für die Altersanalyse genommen. Das Ergebnis bekommen wir frühestens in ein paar Wochen.«
Das enttäuschte Diana ein wenig, doch in der Zwischenzeit brauchte sie ja nicht untätig herumzusitzen. »Aber zwischendurch kann ich es doch wiederbekommen, oder? Ich habe gerade eine Reise nach Sri Lanka gebucht, nächste Woche geht es los.«
»Oha, machst du Urlaub, oder willst du dich auf die Suche nach der Bibliothek machen?«
»Das zum einen, und zum anderen möchte ich etwas über meine Familie herausfinden. Ich glaube, Ceylon hat in ihrer Geschichte eine wichtige Rolle gespielt.«
»Und wohin willst du genau reisen?«, erkundigte sich Michael weiter, während Diana im Hintergrund vernahm, wie er sich durch irgendwelche Papiere wühlte. Den Schreibtisch hatte er bei ihrem Treffen wohl nur aufgeräumt, weil er vor ihr nicht ganz so unordentlich wirken wollte.
»Nach Colombo. Ich habe doch diesen uralten Reiseführer gefunden, von dem ich annehme, dass er einer meiner Vorfahrinnen gehört hat.«
»Ah!« Der Ausruf galt allerdings nicht ihrer Aussage, sondern der Tatsache, dass Michael gefunden hatte, wonach er suchte. »Ich hab’s!«
»Was hast du?«, wunderte sich Diana.
»Die Visitenkarte, nach der ich gesucht habe. Ich werde sie dir mitgeben, wenn du kommst. Meinetwegen gleich, denn du wirst sicher Reisevorbereitungen treffen müssen.«
»Dafür werde ich keine Woche brauchen, zwischendurch muss ich mich aber in der Kanzlei sehen lassen. Du hast also eine Visitenkarte für mich? Von wem?«
»Wenn du nach Colombo fährst, solltest du unbedingt meinen Freund Jonathan Singh aufsuchen. Er wird nicht nur dafür sorgen, dass du auf Sri Lanka nicht unter die Räder kommst, du kannst ihn auch als Fremdenführer und Informationsquelle missbrauchen.«
Diana zögerte. »Ich weiß nicht, wäre ihm das recht?«
»Wir sind alte Freunde, und er schuldet mir noch was. Wenn ich ihn bitte, kann er sich sicher freischaufeln.«
»Ist er denn auch Wissenschaftler? Woher kommt er? Jonathan hört sich nicht gerade wie der typische indische Vorname an.«
»Er ist halb Engländer und halb Tamile. Er hat mal fürs Nationalmuseum von Sri Lanka gearbeitet. Vor einiger Zeit hat er sich selbständig gemacht und schreibt Bücher. In seiner Heimat sind seine Werke ziemlich bekannt, und ich dränge ihn gerade dazu, mir bei einer Veröffentlichung für unser Museum zu helfen. Er kennt sich sehr gut mit der Geschichte Sri Lankas und den Bräuchen des Landes aus. Wenn einer dir helfen könnte, dann er.«
»Aber nicht, dass du meinetwegen den Gefallen aufbrauchst, den er dir schuldet.«
Durch den Hörer bemerkte Diana, dass Michael lächelte.
»Keine Sorge. Er wäre mir vielmehr böse, wenn ich eine Freundin in sein Land schicke, ohne ihm Bescheid zu sagen. Die Menschen auf Sri Lanka sind sehr hilfsbereit, musst du wissen, und Jonathan ist ein wirklich netter Kerl.«
»Also gut, dann sag ihm Bescheid und gib mir die Adresse. Ach ja, und wann soll ich das Blatt vorbeibringen?«
Tremayne House, 2008
Als Mr Green nach erledigter Arbeit aus dem Garten ins Haus kam und sich an den Computer setzte, fand er eine E-Mail von Diana Wagenbach.
Sehr geehrter Mr Green,
ich hoffe, bei Ihnen ist alles in Ordnung. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich in einer Woche nach Sri Lanka reisen werde. In den vergangenen Tagen habe ich etliche Entdeckungen gemacht, nach denen ich keine andere Möglichkeit mehr habe, als in das Land zu reisen, das mein Vorfahr mit seiner Familie aufgesucht haben muss. Ich werde mich dort mit einem Wissenschaftler treffen, der mir von einem Freund empfohlen wurde, Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen. Falls Sie mich erreichen wollen, können Sie das jederzeit per Internet tun, mein Laptop wird mich begleiten, und ich werde meine Mails regelmäßig abrufen.
Ich glaube, wenn ich zurück bin, habe ich Ihnen einiges zu erzählen.
Mit herzlichen Grüßen
Diana Wagenbach
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Butlers.
Er erhob sich, ging dann zu dem kleinen Schrank, aus dessen oberster Schublade er ein in braunes Papier eingewickeltes Päckchen nahm. Dieses schlummerte schon eine ganze Weile an diesem Ort, jetzt
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