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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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dir, einige von ihnen würden auch die Damenwelt in London zu begeistern wissen.«
    »Das hat dich eigentlich noch gar nicht zu interessieren!«, entgegnete Grace mit gespielter Entrüstung.
    »Warum denn nicht? In früheren Zeiten wäre ich jetzt schon im heiratsfähigen Alter. Manche Familien verheiraten ihre Töchter immer noch so jung.«
    Diese Worte brachten Grace den wehmütigen Gedanken an die Saison in London zurück. Wahrscheinlich werde ich hier als alte Jungfer enden, dachte sie. Die interessanten jungen Männer in England werden weg sein, ehe ich wieder einen Fuß auf die Insel setze.
    Victoria schien ihren Kummer zu bemerken, denn sie legte sanft eine Hand auf ihren Arm. »Keine Sorge, ich werde bestimmt nicht vor dir heiraten. Jetzt solltest du dich erst einmal auf unser Abenteuer freuen. Ich bin schon gespannt auf die Tiere im Dschungel, vielleicht bekomme ich Mr Norris dazu, sich von den kalten Steinen abzuwenden und sich stattdessen für lebende Dinge zu interessieren.«
    Kaum waren ihre Worte verklungen, gesellte sich Miss ­Giles zu ihnen. Ihr Blick wirkte ein wenig entrückt, ja beinahe sorgenvoll.
    »Grace, wusstest du eigentlich schon, dass Postschiffe meist nachts anlegen?« Während Victoria ihren kleinen Reiseführer wieder hervorzauberte, zwinkerte sie Grace verschwörerisch zu.
    »Nein, woher?«
    »Das steht in dem Reiseführer. Ich bin sicher, dass Mr Norris auf einem dieser Schiffe ankommen wird.«
    Aus dem Augenwinkel schielte Victoria zu Miss Giles, doch die reagierte nicht auf die Worte. Als Grace sie betrachtete, entdeckte sie allerdings einen wehmütigen Zug auf dem sonst so beherrschten Gesicht der Gouvernante.
    Würde ich auch so sehnsüchtig auf den Hafen schauen, wenn mein Liebster auf der anderen Seite des Meeres wäre und ich nicht wüsste, ob er heil ankommen wird?, fragte sie sich, als die Kutsche anruckte.
    Sie erreichten die Plantage am Nachmittag des folgenden ­Tages, nachdem sie in einer kleinen Dorfherberge, die von Mr Cahill ausgesucht worden war, Rast gemacht hatten. Vor dem klaren blauen Himmel bildete der Berg eine grandiose Kulisse. Wie von einem grünen Plaid überworfen wirkte er, das hin und wieder dunkle oder helle Flickstellen aufwies. Davor erhoben sich die Teefelder, sattgrün, von einzelnen Palmen und unbekannten Sträuchern gesäumt.
    Durch das Rasseln der Wagen und das Klappern der Pferdehufe drangen fremdartige Geräusche. Grace blickte zu den Palmen auf, die über ihre Köpfe hinwegzogen, und meinte, das Schimmern bunter Federn zu sehen.
    »Das sind Papageien«, sagte Victoria, die ihren Kopf ebenfalls in den Nacken gelegt hatte. »Vielleicht sollte ich einen fangen für Mamas Salon.«
    »Wie willst du das anstellen?«, fragte Grace, während sie aufschauend immer noch hoffte, eines der Tiere würde näher herankommen. Sie hatte bereits einen Papagei gesehen, im Salon von Mrs Roswell in London. Doch das war ein stein­altes, etwas räudiges Tier gewesen, das die Angewohnheit gehabt hatte, sich den Kopf an den Gitterstäben zu scheuern, und ständig seltsame Laute von sich gegeben hatte, von denen Mrs Roswell meinte, sie bewiesen, er könne sprechen.
    Die Tiere über ihr unterhielten sich in ihrer natürlichen Sprache, die so anders klang als das, was Polly – so der Name des Papageis – von sich gegeben hatte.
    »Oh, schau mal!«, rief Victoria plötzlich aus und zerrte sie am Ärmel. In dem Busch, auf den sie deutete, saß ein kleiner Affe, der die Wagenprozession aufmerksam beobachtete. Dabei hielt er sich mit einer Hand an einem Ast fest und kaute wie ein Baby auf dem Daumen der anderen herum.
    »Ob Mama mir erlaubt, so einen zu besitzen?«
    »Ich denke, du willst erst einmal einen Papagei fangen.«
    »Das werde ich auch, wart’s ab. Sicher möchten sie Zuckerwürfel, und wenn sie auf mein Fensterbrett kommen, fange ich einen mit dem Schmetterlingskescher.«
    »Den du ebenfalls nicht besitzt.«
    »Aber ich weiß, wie man einen baut!«, behauptete Victoria. »Letztes Jahr habe ich gesehen, wie Bobby Fisher, der Sohn des Gärtners, einen gebaut hat, aus einem Metallring, etwas Gaze und einem Stock. Ich bin sicher, das bekomme ich auch hin. Und wenn nicht, werde ich einen der Angestellten hier bitten. Bestimmt gibt es so etwas wie einen Gärtner, schau dir doch mal die Anlage an!«
    Grace musste zugeben, dass der Garten wirklich wunderschön war. Neben den in diesen Breiten unvermeidlichen Frangipani-Sträuchern wuchsen hier Rhododendren, um die

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