Die Schmetterlingsinsel
war seine Zeit gekommen.
Der nächste Hinweis, dachte Mr Green, als er seinen Mantel überwarf und das Päckchen in der Tasche verstaute. Eigentlich hätte er es mit der Post aufgeben können, denn er hatte noch genügend Zeit. Doch etwas Wichtiges wie dieses wollte er nicht der Post überlassen. Er schwang sich also in den Bentley und fuhr in Richtung London.
Colombo / Vannattuppucci , 1887
Nach drei weiteren Tagen Aufenthalt erreichte Henry Tremayne die Nachricht, dass die Handwerker ihre Arbeit beendet hatten und das Haus bezugsfähig war.
»Endlich!«, stöhnte Claudia erleichtert, während sie das Schreiben gegen ihren spitzenverzierten Ausschnitt drückte. »Ich dachte schon, wir würden ewig in diesem Hotel bleiben müssen.«
»So schlecht ist es hier doch gar nicht, meine Liebe«, entgegnete Henry, dem die Erleichterung, endlich auf der Plantage einziehen zu können, aber ebenfalls ins Gesicht geschrieben stand. »Wir werden von vorn bis hinten versorgt und haben einen wunderbaren Ausblick auf das Meer.«
»Auf Dampfschiffe, die den Hafen in schwarzen Rauch hüllen«, korrigierte Claudia. »Und auf Scharen von Händlern, die sich wie Schmeißfliegen auf alles stürzen, was europäische Kleidung trägt.«
Henry lachte auf. »Wenn wir erst einmal auf Vannattupp u cci sind, wirst du nur noch Tee zu Gesicht bekommen. Und Palmen.«
»Dafür aber einen Berg, der mich an meine Highlands erinnert.«
Henry kam zu ihr, ergriff ihre Hände und küsste sie. »Ich weiß, wie sehr du deine Heimat vermisst. Doch ich werde alles dafür tun, dass du dich schon bald heimisch fühlst.«
»Könntest du die Plantage nicht einem Verwalter überlassen? Dieser Mr Cahill scheint nach dem, was du von ihm erzählst, sehr fähig zu sein.«
»Ein Ort wie dieser benötigt die Aufsicht seines Herrn. Mr Cahill hat mir genau das klargemacht. Seit Richard fort ist, ist der Ort endgültig im Chaos versunken. Die Teepflückerinnen und Arbeiter brauchen jemanden, der sie führt.«
Claudia senkte seufzend den Kopf, worauf Henry sie in seine Arme zog.
»Außerdem ist Vannattupp u cci unsere große Chance. Du weißt doch, wie die Dinge in England gestanden haben. Wenn alles so läuft, wie ich es mir vorstelle, werden wir unseren Landsitz sanieren und dein Schloss in den Highlands ebenfalls erhalten können. Vielleicht finden wir auch eines Tages einen geeigneten Vormann, der die Leitung der Plantage übernehmen kann. Aber jetzt, nachdem Richard gestorben ist, muss jemand Ordnung in das Chaos bringen.«
Grace und Victoria waren in die Betrachtung eines Rohedelsteins versunken, den die jüngere der beiden bei Sylvie’s in der Chatham Street erstanden hatte. Obwohl ihre Mutter ihnen nach ihrem Abenteuer in der Palmblattbibliothek sämtliche Spaziergänge untersagt hatte, hatte sie ihren Töchtern doch erlaubt, sie beim Einkauf zu begleiten – unter der Maßgabe natürlich, sich nicht mehr als drei Schritte von ihr zu entfernen.
Im Gegensatz zu den Händlern, die den ausländischen Besuchern am Hafen auflauerten, standen die Läden in dem Ruf, seriös zu sein. Gekauft hatte Grace nichts, in ihren Augen waren diese Steine reine Geldverschwendung und vielleicht auch ein grober Betrug, doch das bunte Leuchten, das sie an eine blühende Wiese erinnerte, und der Duft der Räucherstäbchen hatten sie für einen Moment ihren Unmut vergessen lassen.
»Ich bin sicher, dass das ein Saphir ist«, behauptete Victoria, während sie den ungeschliffenen, sattblauen Stein in der Hand drehte. »Er muss nur geschliffen werden, dann habe ich ein Juwel, das in den Schmuckschatullen englischer Ladies seinesgleichen sucht.«
»Ein Juwel für zehn Rupien? Glaubst du nicht, dass das ein wenig billig ist?«
Grace nahm Victoria den Stein aus der Hand und betrachtete ihn selbst. Er hatte die richtige Farbe für einen Saphir, doch sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Menschen solch große, wertvolle Steine für einen derart niedrigen Preis verkaufen würden. Auch an diesem Ende der Welt taten sie das gewiss nicht. Die Händler waren ihr sehr geschäftstüchtig erschienen, wahrscheinlich waren zehn Rupien noch zu teuer für den Tand, den man ihrer Schwester angedreht hatte.
»Als ob du Ahnung von Edelsteinen hättest!«, plusterte sich Victoria auf, die sich durch die nüchterne Art ihrer Schwester auf keinen Fall die Freude über ihren Fang kaputtmachen lassen wollte. »Außerdem habe ich dir doch vorgelesen, dass dies das Land der Edelsteine ist.
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