Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
es mich wissen.«
    »Sind Sie ein Einheimischer?«, fragt Henry, während er den Burschen genau musterte. »Ihr Englisch ist wirklich hervorragend.«
    Etwas an ihm passte ganz und gar nicht in diese Gegend, fand Grace, als wenn er nicht von hier wäre. War es der Ton seiner Haut, der beinahe euro­päisch, ja fast italienisch wirkte? Oder die tadellosen Manieren?
    Vikrama neigte geschmeichelt den Kopf. »Vielen Dank, Sir. Meine Mutter stammte von hier, daher meine dunklere Haut.«
    »Und Ihr Vater?«
    »Ist unbekannt, Sir. Aber meine Mutter meinte immer, dass es ein weißer Mann gewesen sei.«
    »Vermutlich einer von den englischen Angestellten Ihres Bruders«, setzte Cahill hinzu. »Ist öfter vorgekommen, dass unsere Jungs die Schönheit der tamilischen Frauen entdeckt haben.«
    Grace fand das Lachen, das er ausstieß, zutiefst unpassend. Auch wenn die Dinge zwischen Mann und Frau kein Thema waren, über das offen gesprochen wurde, wusste Grace mittlerweile, was die Ehefrauen in der Hochzeitsnacht erwartete und woher die Kinder kamen. Und sie wusste auch, dass es von einem Mann sehr schäbig war, seine schwangere Geliebte sitzen zu lassen.
    »Sie kennen Ihren Vater also nicht?«, fragte Claudia erschüttert.
    »Nein, Madam, er starb, bevor ich geboren wurde.«
    »Sie müssen wissen, dass die Einheimischen nicht immer so friedlich waren wie jetzt«, fühlte sich Cahill verpflichtet, hinzuzusetzen. »Vor mehr als zwanzig Jahren konnte es noch passieren, dass man auf offener Straße angefallen und ausgeraubt wurde. Solch einem Unglück muss Mr Vikramas Vater zum Opfer gefallen sein.«
    Der junge Mann verzog keine Miene zu der Geschichte. Offenbar hatte er sich bisher nicht viele Gedanken um seinen namenlosen Vater gemacht.
    »Und was ist mit Ihrer Mutter, Sie reden von ihr in der Vergangenheitsform«, fuhr Claudia fort, die es sich offenbar in den Kopf gesetzt hatte, alles über den neuen Mitarbeiter ihres Gatten herauszufinden.
    Jetzt nahm Vikramas Gesicht einen bekümmerten Zug an. »Sie starb vor zwei Jahren an Krebs.«
    Cahill legte ihm gönnerhaft die Hand auf die Schulter. »Seine Mutter gehörte zum Stab der Teepflückerinnen Ihres Bruders, Sir. Mr Tremayne erkannte das Talent des Jungen und schickte ihn zur Schule. Sie werden hier viele Tamilen in Verwaltungspositionen finden. Sie haben sogar ihre eigene Sprache und Schrift. Vorausschauende Plantagenbesitzer lassen ihre Tamilen unterrichten und gewinnen damit loyale Mitarbeiter, die imstande sind, selbständig die Plantage im Auge zu behalten. Ich wüsste nicht, was wir ohne ihn hätten tun sollen nach dem tragischen Unglück.«
    Grace bemerkte, dass Vikrama ein wenig verlegen den Kopf senkte. Schämte er sich seiner Herkunft? Oder mochte er es einfach nur nicht, dass er gelobt wurde?
    Als sie sich dabei ertappte, wie sie ihn beinahe schon unverschämt anstarrte, senkte sie errötend den Blick.
    »Das klingt, als hätten wir mit Ihnen einen guten Fang gemacht, Mr Vikrama«, polterte ihr Vater. »Sie müssen mich unbedingt über die Vorgänge auf der Plantage ins Bild setzen.«
    »Ich werde mein Bestes tun, um Sie nicht zu enttäuschen.«
    »Gut, dann treffen wir uns gleich morgen früh zu einer Besprechung und einem Rundgang. Die Damen sind müde, und ich muss leider gestehen, dass die Reise auch mich ein wenig mitgenommen hat. Was halten Sie von neun Uhr?«
    »Ich werde pünktlich zur Stelle sein, Sir.«
    »Gut! Ich fürchte, Sie werden aus mir erst noch einen Teebauern machen müssen, ich hätte mein Lebtag nicht damit gerechnet, jemals Herr über solch eine Plantage zu werden. Doch Gott hat es so gewollt, und so hoffe ich auf Ihre tatkräftige Unterstützung.«
    »Die werde ich Ihnen in allen Belangen zukommen lassen, so es in meiner Macht steht.«
    »Und darauf können Sie sich verlassen, Sir«, setzte Cahill wieder einmal ungefragt hinzu.
    Irrte sie sich, oder sah Grace plötzlich einen kleinen Groll in Vikramas Augen aufwallen? Bevor sie Bestätigung für ihre Vermutung fand, war der Ausdruck bereits wieder verschwunden. Damit niemand merkte, dass sie ihn erneut anstarrte, wandte sie sich lächelnd Victoria zu, die allerdings schon wieder den Blick in den Baumkronen über ihr hatte. Affen hangelten dort nicht entlang, dafür stießen Papageien ihre rauen Rufe aus, und Grace konnte förmlich die Entschlossenheit, einen dieser Vögel zu fangen, in Victorias ­Augen funkeln sehen.
    Als sie den Blick wieder auf ihre Eltern richtete, verabschiedeten sich

Weitere Kostenlose Bücher