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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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diese gerade von Mr Vikrama. Cahill murmelte dem Jungen noch etwas zu, dann wandte er sich um. Zu gern hätte Grace noch einmal sein Gesicht gesehen, doch er sah nicht zurück.
    »Kommt, Mädchen, träumt nicht!«, rief ihre Mutter da.
    Grace fasste Victoria bei der Hand und zog sie die Treppe hinauf.
    »Hast du diese Prachtexemplare gesehen?«, rief Victoria begeistert. »Ich schwöre, ich habe einen vollkommen blauen gesehen. Den will ich unbedingt haben!«
    »Dann solltest du versuchen, ihn mit Futter anzulocken«, entgegnete Grace ein wenig halbherzig, denn aus irgendeinem Grund wollte ihr der junge Mann nicht aus dem Sinn.
    In London, vorausgesetzt, er wäre der Sohn eines Adligen, wäre er die Sensation der Saison gewesen. Einen Mann wie ihn hatte sie noch nie gesehen! Und dann die Augen! War es normal, dass Menschen Augen wie Bernsteine hatten? In England hatte sie dergleichen noch nie gesehen. Ein Schauer lief über ihre Haut, und etwas Merkwürdiges regte sich in ihrer Magengrube. Doch schon im nächsten Augenblick erwachte die Vernunft wieder.
    Du solltest dich besser um andere Dinge kümmern, schalt sie sich, als sie durch die Eingangstür schritten. Der Bursche ist Vaters Angestellter, und er hat nicht ein einziges Mal zu dir rübergeschaut.
    Das Herrenhaus glich auch innen in vielem den Herrenhäusern Englands, doch schon beim Betreten der Halle wurde deutlich, dass Richard Tremayne seine Liebe für die einheimische Kultur gefunden hatte. Während in Tremayne House das goldgerahmte Bildnis des Urgroßvaters mit strengem Blick von der Treppe auf den Besucher herabsah, hing an ähnlicher Stelle ein farbenfrohes Bild, wie sie es noch nie gesehen hatte. Auch für Victoria und ihre Eltern war es eine Überraschung.
    Die beiden abgebildeten Männer schienen miteinander zu tanzen. Während einer den Betrachter mit lachender Miene ansah, trug der andere einen mit einer Krone geschmückten Elefantenkopf auf den Schultern. Beide waren in bunte Pumphosen gekleidet, die im Schritt weit durchhingen, dazu gold- und edelsteingeschmückte Gürtel sowie farbige Westen, die ihre Brust bedeckten. Auf den ersten Blick erschienen sie Grace wie Artisten in einem Zirkus. Was sie aber sehr faszinierend fand, waren die Blumenkränze, die man an den Rahmen gehängt hatte, und die Blumenschalen, die zu den Füßen des ­Bildes standen. Offenbar hatte man sie erst heute aufgehängt.
    »Ist das etwa ein Götzenbild?«, fragte Claudia schockiert.
    »Das da sind die Götter Shiva und Ganesha, die von den Hindus verehrt werden«, antwortete Cahill im Tonfall eines Fremdenführers. »Viele Menschen der Gegend hängen diesem Glauben an, außerdem gibt es hier noch Buddhisten und Moslems, Letztere aber in recht kleiner Zahl. Ein Überbleibse l von den Arabern, die vor vielen Jahrhunderten die Insel besucht und Handel mit den Einheimischen getrieben haben.«
    »Warum hat mein Bruder dieses Bild aufgehängt?«
    Auch Henry schien nicht sonderlich erfreut zu sein.
    »Vielleicht hat er sich davon Glück für seine Plantage versprochen. Shiva ist der Hauptgott der Hindus – wo er tanzt, herrscht Wohlstand. Ganesha, dem der Kopf abgerissen wurde …«
    »Mr Cahill!«, mahnte Claudia den Advokaten empört und deutete auf ihre Töchter. »Sie werden doch wohl keine Schauergeschichten vor solch jungen Damen erzählen!«
    »Das sei fern von mir, Mrs Tremayne!«, wehrte Cahill ab, während sein Gesicht von der Stirn her rot anschwoll. »Es gehört aber leider zum Mythos dieser Gegend. Nun ja, wie dem auch sei, Ganeshas Kopf wurde von einer Göttin durch einen Elefantenkopf ersetzt. Seitdem gelten hierzulande Elefanten als Glücksbringer.«
    »Elefanten!«, rief Victoria begeistert aus und klatschte in die Hände. Als sich alle Augen auf sie richteten, senkte sie verlegen den Kopf. »Entschuldigt, aber ich musste wieder an die Elefanten in Colombo denken. Ich würde zu gern eines dieser Tiere ganz natürlich, ohne irgendwelchen Schmuck und glitzernde Decken sehen.«
    »Wenn ich das sagen darf, junge Dame, Sie werden hier den Elefanten sicher so natürlich wie möglich sehen«, antwortete Cahill mit Blick auf Claudia, die jedes seiner Worte zu wiegen schien. »Ein Stück weit den Berg hinauf wird gerade ein neues Teefeld angelegt. Um die dort stehenden Palmen zu entfernen, benutzt man Elefanten als Lastträger. Heute ist ja leider Sonntag, doch schon morgen oder übermorgen werden Sie die Kolosse beobachten können.«
    Victorias Wangen glühten vor

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