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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Spaß. Auch wenn er das schwarze Schaf in der Familie war, wird er doch wohl nicht so tief gesunken sein, oder?«
    Grace schüttelte den Kopf, während sie den prachtvollen ­alten Globus betrachtete. Dieser war inzwischen längst überholt, denn Ceylon war darauf noch als niederländische Kolonie eingezeichnet. »Wahrscheinlich hat er nie eine Frau gefunden, die ihm gefallen hat. Du kennst doch Papas Geschichten. Sein Bruder war schon immer recht eigensinnig.«
    »Oder er hatte eine Geliebte, die nicht standesgemäß war.«
    Grace richtete sich ruckartig auf. »Davon solltest du eigentlich noch gar nichts wissen!«
    »Warum denn nicht? Es gibt viele Männer, die sich in Frauen unter ihrem Stand verlieben.«
    »Aber nicht Onkel Richard. Er hatte nur die Arbeit im Kopf und nicht mal Zeit für seine Familie.«
    »Dem Vergnügen scheint er aber nicht abgeneigt gewesen zu sein«, meinte Victoria altklug und deutete auf das riesige tischartige Gebilde, das unter dem Abdecktuch wie ein großer Sarkophag wirkte. »Warum sonst hätte er sich einen Billardtisch leisten sollen!«
    Ehe Grace sie zurückhalten konnte, war Victoria schon dabei, das Tuch zur Seite zu ziehen. Solch ein Gegenstand war in Tremayne House nicht zu finden, weil Mr Tremayne senior der Meinung war, dass solche Vergnügungen nur in Pubs und Bordelle gehörten. Dass in seinem Herrenclub ebenfalls Billard gespielt wurde, übersah er dabei geflissentlich.
    Mit einem Ausruf des Erstaunens ließ Victoria die Hand über die grüne Matte gleiten, mit der der Tisch ausgelegt war. Zahlreiche Kratzspuren deuteten auf einen regen Gebrauch hin. Von den schweren Marmorkugeln und den Queues war allerdings nichts zu sehen.
    »Vielleicht sollten wir eine Runde spielen und uns dabei ganz verrucht vorkommen!«, schlug Victoria vor.
    »Und womit willst du spielen?« Grace deutete auf den leeren Tisch.
    »Die Kugeln sind bestimmt in einem der Schränke. Ich werde mal nachsehen.«
    »Victoria!«, rief Grace ihr mahnend hinterher, doch Victoria begann sogleich, eine Schranktür nach der anderen zu öffnen. Da ihre Schwester ohnehin nicht zu stoppen war, ohne den gemeinsamen Spaziergang aufs Spiel zu setzen, ließ Grace sie gewähren und ging zu einer kleinen Kommode neben dem Fenster. In dieser waren gewiss keine Billardkugeln untergebracht. Eigentlich wirkte sie sogar recht fehl am Platz. So als wäre sie einem anderen Raum entrissen und hier abgestellt worden. Darauf, dass diese Kommode früher einmal woanders gestanden haben musste, deutete auch das Fehlen einer Abdeckung hin.
    Aus dem Augenwinkel nahm Grace eine Bewegung wahr und wandte sich den Fenstern zu. Der Rücken von Mr Vikrama huschte vorbei. Das Erforschen der kleinen Kommode musste warten.
    »Wir sollten jetzt gehen«, sagte sie, während Hitze durch ihre Adern schoss und eine seltsame Ungeduld sie erfasste.
    »Aber warum?« Victoria zog diese Worte lang wie ein Kind, das keine Lust hatte, aus dem Spielzimmer gerufen zu werden.
    »Weil Papas Besuch da ist. Dieser junge Mann von gestern, der Verwalter.«
    »Wegen dem willst du also durch das Fenster spähen?«
    Grace schnappte ertappt nach Luft, doch glücklicherweise fielen ihr auch die anderen Argumente ein, die sie in der Nacht immer wieder durchgegangen war.
    »Wegen ihm und wegen dem, was er zu erzählen hat. Hast du nicht gehört, wie er Papa angeboten hat, ihm etwas über den Teeanbau beizubringen? Ich finde, wir sollten uns das anhören, denn wir werden immerhin eine Weile hier sein.«
    Victoria grinste sie breit und wortlos an, als sie das Zimmer verließen und sich dann entschieden, doch aus der Vordertür zu gehen.
    »Was ist?«, fragte Grace, die das Lächeln ihrer Schwester wie Nadelspitzen auf der Haut fühlen konnte.
    »Nichts«, antwortete Victoria unschuldig.
    »Dann bist du jetzt also schwachsinnig geworden? War in dem Schrank irgendwas, das dich erschreckt hat?«
    Victoria kicherte leise, schlug sich dann die Hand vor den Mund. »Nein, keine Sorge, Schwesterherz, ich bin noch sehr gut bei Verstand. Ich erinnere mich nur an deine sauertöpfische Miene während der Überfahrt und im Hotel. Und jetzt strahlen deine Augen, wenn du vom Teeanbau redest. Ich wusste doch, dass du etwas finden würdest, das dir an deiner neuen Heimat gefällt.«
    Grace rang um Fassung. »Ich habe nie behauptet, dass mir dieses Land nicht gefällt!« Sie straffte sich und reckte das Kinn nach oben. »Ich bedaure nur, dass ich nicht zum Debüt vor der Königin gehen

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