Die-Schnaeppchenjaegerin
Martin und Janice - und sitzen jetzt da mit langen Gesichtern. Wirklich schlimm.«
Ich denke über das nach, was Mum gerade gesagt hat. Ein schrecklicher Zufall - aber so ein richtiger, echter Zufall war das doch gar nicht, oder? Flagstaff Life hat Janice und Martin schließlich extra angeschrieben und ihnen vorgeschlagen, den Fonds zu wechseln. Sie haben sogar mit einem Geschenk gelockt. Mit einer Kaminuhr.
Warum?
Plötzlich klingeln bei mir die Alarmglocken. Ich will diesen Brief von Flagstaff Life sehen und herausfinden, wann genau der abgeschickt wurde.
»Ich gehe... nur mal eben kurz nach nebenan«, sage ich und stehe auf. »Bin gleich zurück.«
Martin macht mir die Tür auf, und ich kann hören, dass bei ihm und Janice gerade das gleiche Fernsehprogramm läuft wie bei uns.
»Hi«, sage ich schüchtern. »Ahm, hättet ihr wohl einen Moment... Könnte ich eben kurz mit euch reden?«
»Natürlich!«, sagt Martin. »Komm doch rein! Kleinen Sherry gefällig?«
»Oh«, sage ich überrascht. Ich meine, nicht, dass ich etwas gegen Alkohol hätte, wirklich nicht - aber es ist noch nicht mal fünf Uhr. »Ach, warum nicht?«
»Für einen Sherry ist es nie zu früh!«
»Ich möchte auch noch einen, Martin, bitte!«, lässt Janice aus dem Wohnzimmer verlauten.
Hoppla! Ein Paar verkappter Alkies!
Oh, Gott, vielleicht ist das auch meine Schuld! Vielleicht hat die Sache mit dem entgangenen Gewinn sie derartig deprimiert, dass sie jetzt Trost beim Alkohol und stupiden, nachmittäglichen Fernsehsendungen suchen.
»Ich dachte mir...«, hebe ich nervös an, als Martin mir 302
dunkelbraunen Sherry in ein großes Sherryglas einschenkt. »Ich meine, nur so aus Interesse - könnte ich mir wohl mal den Brief von Flagstaff Life ansehen? Den, in dem sie euch vorschlagen, den Fonds zu wechseln? Mich würde interessieren, wann der abgeschickt wurde.«
»Wir haben ihn an dem Tag bekommen, an dem wir mit dir darüber gesprochen haben«, sagt Martin. »Warum willst du ihn sehen?« Er hebt das Glas. »Auf dein Wohl.«
»Prost«, sage ich und trinke ein Schlückchen. »Ich habe nämlich den Verdacht -«
»Komm mit ins Wohnzimmer«, unterbricht er mich und schiebt mich vor sich her durch den Flur. Er reicht Janice ihren Sherry und sagt: »Komm, Schatz, auf ex!«
»Psst«, antwortet sie. »Jetzt ist das Zahlenspiel dran! Ich muss mich konzentrieren!«
»Ich dachte mir, ich forsche da mal ein bisschen genauer nach«, flüstere ich Martin zu, während im Fernsehen der Countdown läuft. »Ich habe so ein schlechtes Gewissen deswegen.«
»Fünfzig mal vier ist zweihundert«, sagt Janice auf einmal. »Sechs minus drei ist drei, mal sieben ist einundzwanzig, das kommt dazu.«
»Sehr gut, Schatz!«, lobt Martin seine Frau und durchwühlt die Eichenanrichte. »Hier ist er«, sagt er. »Heißt das, dass du einen Artikel darüber schreiben willst oder so?«
»Kann schon sein«, sage ich. »Ihr hättet doch nichts dagegen, oder?«
»Etwas dagegen?« Er zuckt mit den Schultern. »Nein, wieso sollten wir?«
»Pscht!«, macht Janice. »Jetzt kommt die Scherzfrage!«
»Gut«, flüstere ich. »Dann nehme ich das... ich nehme das hier einfach mit, ja?«
»Ausbeulen!«, schreit Janice. »Nein, Ausbeuten!« »Und... danke für den Sherry.« Ich trinke den Rest von diesem süßen Zeug mit einem Schluck, schüttele mich leicht, stelle mein Glas ab und schleiche mich auf Zehenspitzen hinaus.
Eine halbe Stunde später sitze ich in meinem alten Zimmer, habe den Brief mehrmals gelesen und bin mir sicher, dass da irgendetwas nicht ganz koscher ist. Wie viele Kunden haben wohl den Fonds gewechselt, nachdem sie mit dieser Kaminuhr geködert worden waren? Wie viele Kunden waren auf diese Weise nicht in den Genuss der Auszahlung gekommen? Oder, etwas spitzer formuliert: Wie viel Geld hatte Flagstaff Life auf diese Weise wohl gespart? Auf einmal bin ich Feuer und Flamme für diese Geschichte. Ich will wissen, was wirklich dahinter steckt. Und nicht nur das. Ich will wirklich darüber schreiben. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich tatsächlich an einer Geschichte interessiert.
Und ich habe keine Lust, die Story nur für mein blödes eigenes Blatt zu schreiben.
Eric Foremans Karte steckt immer noch in meinem Portemonnaie. Ich nehme sie heraus, betrachte sie eine Weile, gehe dann zum Telefon und tippe schnell seine Nummer ein, bevor ich es mir anders überlege.
»Eric Foreman, Daily World«, dröhnt mir seine Stimme entgegen.
Oh, Gott. Was mache
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