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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Und weil es mir schwer fiel, all diese widersprüchlichen Probleme miteinander auszugleichen, habe ich mich erst einmal selbst gründlich betrunken. Aber statt eines fröhlichen Rauschs habe ich eine Vision der Hölle erlebt. Ich kann dir sagen, das ist ein elender Ort.
    Mit deiner Erzählung Kochstunde habe ich eine ganze Nacht verbracht. (Ich habe sie nämlich mehrmals gelesen.) Es fällt mir von Fall zu Fall schwerer, etwas zu deinen Erzählungen zu sagen. Aber wenn ich etwas sagen soll, müsste ich mehr oder weniger das wiederholen, was ich dir schon früher geschrieben habe: dass es der Erzählung an stilistischer Konsequenz mangelt, dass die Handlung zu sprunghaft ist, dass die Personen nicht gut entwickelt sind und dergleichen mehr. Aber statt immer wieder dieselben Fragen aufs Tapet zu bringen, sollte ich besser den Mund halten. Dennoch habe ich, wie du es wolltest, der Redaktion der Volksliteratur einen Besuch abgestattet. Zhou Bao und sein Mitherausgeber waren nicht im Büro, also habe ich die Erzählung mit einer Notiz auf ihrem Schreibtisch gelassen. Diesmal wirst du dich auf dein Glück verlassen müssen, aber ich habe das dumpfe Gefühl, dass es schwer sein wird, sie zu veröffentlichen. Wir haben einander zwar nie kennen gelernt, aber da wir inzwischen trotzdem alte Freunde sind, sage ich es, wie ich es sehe.
    Ich bin überzeugt davon, dass du eine erstklassige Erzählung schreiben kannst, die genau in die Volksliteratur passt. Das ist nur eine Frage der Zeit. Früher oder später wird es dir gelingen. Also sei nicht enttäuscht oder deprimiert.
    Wenn ich es richtig überblicke, hast du mir bisher insgesamt sechs Erzählungen zur Weiterleitung geschickt. Dabei habe ich Yichi, der Held mitgezählt. Der Text liegt mir vor. Wenn ich nach Jiuguo komme, sollte ich wohl die Manuskripte wieder bei der Volksliteratur abholen und sie dir persönlich mitbringen. Sie mit der Post zu verschicken ist mühsam und unsicher. Jedes Mal wenn ich aufs Postamt gehe und mit den steinernen Mienen der Herren und Damen hinter den Schaltern konfrontiert werde, bin ich noch Tage danach das reinste Nervenbündel. Sie machen Gesichter, als wollten sie einen Spion entlarven oder einen Attentäter erwischen oder so etwas, und vermitteln dir das Gefühl, das Paket, das du aufgeben willst, sei voll von konterrevolutionären Pamphleten.
    Mach dir keine Sorgen, wenn du kein Exemplar von Denkwürdigkeiten der Schnapsstadt auftreiben kannst. In den letzten Jahren sind eine Menge ausgefallener Bücher dieses Typs erschienen. Die meisten sind nur für ein bisschen schnelles Geld zusammengeschustert und taugen nicht gerade viel.
     
    Ich wünsche dir
    ein fröhliches Schaffen
    Mo Yan

III
     
    Verehrter Meister, lieber Mo Yan!
     
    Seien Sie mir gegrüßt!
    Allein das Wissen darum, dass es eine Chance gibt, dass Sie nach Jiuguo kommen werden, lässt mich vor Freude in die Luft springen. Ich warte voll Vorfreude auf Ihren Besuch. «Ich warte auf die Sterne, ich warte auf den Mond, ich sehne mich, die Sonne aufgehen zu sehen über den Bergen.» Einige meiner Kommilitonen arbeiten für das örtliche Parteikomitee und die Stadtverwaltung (und nicht nur in untergeordneten Tätigkeiten, sondern in offizieller, zum Teil sogar einflussreicher Position), und wenn Sie eine offizielle Einladung einer dieser beiden Behörden oder so etwas brauchen, kann ich sie jederzeit um Amtshilfe bitten. Die chinesische Führungselite lässt sich von Amtssiegeln beeindrucken, und ich bin sicher, das ist bei der Armee nicht anders.
    Was meine Erzählungen angeht, muss ich zugeben, dass ich enttäuscht und deprimiert bin. Nein, es ist mehr als das. Ich habe mit Zhou Bao und Li Xiaobao ein Hühnchen zu rupfen. Sie haben auf den Manuskripten gesessen und nicht einmal den Eingang bestätigt, und das verrät nichts Gutes über ihre Einstellung zum Volk. Ich weiß, dass sie viel zu tun haben, und wenn sie auf jeden Brief eines hoffnungsvollen Nachwuchsschriftstellers antworten wollten, hätten sie viel zu tun. Ich habe volles Verständnis dafür, aber trotzdem bin ich wütend. Wenn sie es für den Mönch nicht tun wollen, sollten sie es für den Buddha tun. Schließlich bin ich von Ihnen empfohlen worden. Sicher, ich weiß, das ist keine gesunde Einstellung. Schlechte Laune hat einen negativen Einfluss auf den kreativen Prozess, und ich arbeite hart daran, meine deprimierte Stimmung in den Griff zu bekommen. Ich gehöre zu denen, die «niemals aufgeben, bevor sie den

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