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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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kann niemand die tobende Flut aufhalten, und wenn man darüber nachdenkt, was aus unserer Gesellschaft geworden ist, tragen wir alle Schuld daran. Mein Beruf hat es mir ermöglicht, die edelsten Weine und Schnäpse der Welt zu probieren, und die meisten davon sind fast so teuer wie Schwalbennester. Das einfache Volk hat Weine wie Gevrey-Chambertin und Romanée-Conti aus Frankreich oder Lorenzhöfer Felslay und Bernkasteler Doktor aus Deutschland oder den italienischen Barabaresco oder Lacrimae Christi vermutlich noch nie zu Gesicht bekommen oder gar geschmeckt. Und jeder einzelne von ihnen ist ein wahrer Schatz. Es sind die Weine der Götter, der reine Nektar. Kommen Sie bitte, und kommen Sie bald! Ich will nicht zu viel versprechen, aber es wird mir nicht schwer fallen, dafür zu sorgen, dass Sie nur vom Besten trinken, solange Sie hier sind. Besser, Sie und ich trinken das Zeug als diese korrupten, gierigen Funktionäre.
    Es gäbe noch viel zu erzählen, aber da Sie bald in Jiuguo sein werden, werde ich es mir für den Tag aufheben, an dem wir uns von Angesicht zu Angesicht sehen. Wenn wir einander erst einmal zugetrunken haben, können wir schwätzen, soviel wir wollen.
    Ich lege meine neuste Erzählung Affenschnaps bei und erwarte Ihre Kritik. Ursprünglich sollte sie länger werden, aber ich war in letzter Zeit so müde, dass ich beschlossen habe, es gut sein zu lassen. Wenn Sie sie gelesen haben, brauchen Sie sie nicht zurückzuschicken. Bringen Sie sie einfach mit, wenn Sie nach Jiuguo kommen. Ich werde mich einen Tag ausruhen und dann eine neue Erzählung schreiben. Danach werde ich Schwalbenjagd überarbeiten.
     
    Mit den besten Wünschen
    Ihr Schüler
    Li Yidou

III
     
    Affenschnaps
     
    Affenschnaps ist Professor Yuans Schnaps. Wer hat als Erster Affenschnaps gebrannt? Mein Schwiegervater, Yuan Shuangyu, Professor an der Brauereihochschule von Jiuguo. Wenn Jiuguo eine glänzende Perle im Herzen unseres ruhmreichen Vaterlands ist, ist die Brauereihochschule die Perle von Jiuguo und mein Schwiegervater die Perle der Brauereihochschule – die strahlendste, die glänzendste Perle von allen. Es war die große Chance meines Lebens, dass ich erst Schüler, dann Schwiegersohn dieses distinguierten älteren Herrn werden durfte. Unzählige Menschen beneiden mich um mein Glück. Als ich nach einem Titel für diese Erzählung suchte, habe ich lange darüber nachgedacht, ob ich sie Affenschnaps oder Yuans Schnaps nennen sollte. Schließlich habe ich mich entschieden, sie vorläufig Affenschnaps zu nennen, auch wenn das einen Beigeschmack von Fauvismus hat. Mein Schwiegervater ist ein belesener Mann von aufrechtem Charakter. Auf der Suche nach dem Affenschnaps war er bereit, unter den Affen auf dem Berg des Weißen Affen zu leben, sich von Wind zu nähren und im Tau zu schlafen, den Wind sein Haar kämmen und den Regen seinen Körper baden zu lassen, bis der Erfolg sich endlich einstellte.
    Damit die Abstinenzler unter meinen Lesern die umfassende Bildung meines verehrten Schwiegervaters auch nur im Umriss ermessen können, werde ich einen großen Teil des Materials zu seiner Vorlesung über die Ursprünge des Alkohols abschreiben müssen.
    Damals war ich ein junger unwissender Student aus einer armen Bauernfamilie, der soeben erst den Tempel der Alkoholkunde betreten hatte. Ich wusste so gut wie nichts über alkoholische Getränke. Als mein zukünftiger Schwiegervater mit einem Spazierstock bewaffnet und mit einem weißen Anzug bekleidet feierlich ans Katheder trat, glaubte ich, Schnaps sei nichts weiter als parfümiertes Wasser. Was könnte dieser ältliche Typ darüber zu sagen haben, das der Mühe wert war? Er blieb vor dem Pult stehen und lachte, ohne ein Wort zu sagen. Lachend zog er einen Flachmann aus der Tasche, zog den Stöpsel und nahm einen Schluck. Dann schmatzte er und fragte: Kommilitonen, was trinke ich da? Irgendjemand sagte: Leitungswasser. Jemand anders sagte: Abgekochtes Wasser. Ein Dritter sagte: Eine klare Flüssigkeit. Und noch jemand anders: Schnaps. Ich wusste, dass es Schnaps war – ich konnte es riechen –, aber ich flüsterte meinem Nachbarn zu: Urin. Gut!, sagte mein Schwiegervater und schlug mit der Hand auf das Pult. Wer Schnaps gesagt hat, bitte aufstehen! Ein Mädchen mit langem Haar und zwei Zöpfen stand auf. Sie errötete, sah meinen Schwiegervater an, senkte den Kopf und fing an, mit ihren Zöpfen zu spielen – eine Angewohnheit, die viele Mädchen mit Zöpfen haben. Sie haben

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