Die Schnapsstadt
können nur darüber spekulieren. Bei Spektralanalysen des Universums haben chinesische Wissenschaftler große Mengen von Alkoholmolekülen im Weltraum entdeckt. Kürzlich hat eine amerikanische Astronautin einen starken Alkoholgeruch in ihrer Weltraumkapsel entdeckt und verfiel in euphorische Stimmung, als sei sie leicht angetrunken. Wo, frage ich euch, kamen diese Alkoholmoleküle her? Wo kam der Geruch her, den die Astronautin entdeckte? Von einem anderen Planeten? Oder waren es durch das All verstreute Reste der Urmaterie, die ihren Ursprung bei uns in Jiuguo hatten? Kommilitonen, lasst eure Phantasie ihre Flügel ausbreiten.
Mein Schwiegervater fuhr fort: Unsere Vorfahren schrieben die Entdeckung des Alkohols den Gottheiten zu und erfanden schöne und zutiefst bewegende Legenden darüber. Bitte lesen Sie dazu im Begleitmaterial nach …
Die alten Ägypter glaubten, der Totengott Osiris habe den Alkohol entdeckt. Alkoholische Getränke wurden den Ahnen als Opfer dargebracht, um ihre Seelen vom Leid zu erlösen und ihnen Flügel zu verleihen, mit denen sie ins Paradies fliegen konnten. Auch diejenigen unter uns, die noch am Leben sind, fühlen sich beschwingt, wenn sie betrunken sind. Deshalb ist das Wesen des Alkohols der Geist des Fluges. Die alten Mesopotamier machten Noah zum Erfinder des Weins. Sie sagten, er habe nicht nur das Menschengeschlecht neu begründet, sondern habe den Menschen auch das wunderbare Geschenk des Alkohols gemacht, um Katastrophen zu vermeiden. Die Mesopotamier haben sogar den Ort benannt, an dem Noah den Alkohol erfand: Er heißt Eriwan.
Die alten Griechen hatten ihren eigenen Gott des Weins. Er hieß Dionysos und war der Alkoholspezialist unter den olympischen Göttinnen und Göttern. Er verkörperte die wilde Ekstase, die Befreiung aus allen Fesseln, den frei zum Himmel aufsteigenden Geist.
Die Religionen, die großen Wert auf die Spiritualität legen, kennen verschiedene Erklärungen für die Entstehung des Alkohols. Der Buddhismus und der Islam sind von Abneigung gegen den Alkohol bestimmt und erklären ihn zur Wurzel allen Übels. Das Christentum, andererseits, betrachtet den Wein als das Blut Gottes, die materielle Inkarnation seines Opfers um der Erlösung der Welt willen. Christen glauben, dass Weintrinken ihnen dabei hilft, sich Gott zu nähern, sich mit ihm zu verbinden. Es steckt eine tiefe Weisheit darin, dass das Christentum den Wein als eine Art geistiger Substanz betrachtet, obgleich wir alle wissen, dass Alkohol eine materielle Substanz ist. Aber vergessen Sie darüber nicht, dass derjenige, der den Alkohol nur als materiellen Gegenstand betrachtet, niemals zum wahren Künstler heranreifen wird. Der Alkohol ist etwas Geistiges, und dieser Glaube hat seine Spuren in vielen Sprachen hinterlassen. So bezeichnet etwa das Englische hochprozentige Getränke als spirits, im Französischen werden Getränke mit hohem Alkoholgehalt als spiritueux beschrieben, und auch das Deutsche spricht von «geistigen Getränken». All diese Ausdrücke haben einen gemeinsamen etymologischen Ursprung mit dem Spirituellen oder Geistigen.
Aber wir sind ja schließlich Materialisten. Wir betonen die Tatsache, dass Alkohol etwas Geistiges ist, nur, weil wir wollen, dass unser Geist seine Flügel entfalten und sich hoch empor erheben kann. Wenn der Mensch von seinem Höhenflug ermüdet zur Erde zurückkehrt, muss er die Ursprünge des Alkohols immer noch in alten Dokumenten suchen. Dies ist eine außerordentlich befriedigende Arbeit. In den ältesten heiligen Schriften Indiens, der Sammlung der Veden, werden ein alkoholisches Getränk namens Sorna und ein weiteres namens Baoma erwähnt, die beide beim Opferritus Verwendung fanden. Das hebräische Alte Testament spricht öfters von «saurem Wein» und «süßem Wein». Auf den Orakelknochen der chinesischen Frühgeschichte finden wir Inschriften wie die folgende: «Dieser Reiswein … für Dajia … für Ding», und das bedeutet ein Reisweinopfer für die Verstorbenen Dajia und Ding. Es gibt auf den Orakelknochen ein weiteres Wort, chang, das der hanzeitliche Gelehrte Ban Gu in seinen Aufzeichnungen aus der Halle des Weißen Tigers folgendermaßen interpretiert: « Chang ist der Duft der Hundert Pflanzen. Goldene Feinheit und vollendete Destillation sind chang.» Chang ist edelster Alkohol. Chang heißt ungehindert, unbesieglich, frei, ungezügelt, unbegrenzt wie in ungehinderter Zugang, unbesiegliche Freude, freies Gespräch, ungezügelte
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