Die Schnelligkeit der Schnecke
in der Bar.«
Vier
»›Drama bei Kongress, Kopf angeschlagen und tot. Von Pericle Bartolini‹. Der schon wieder. Immer wenn irgendein Unglück passiert, schicken sie den hin, den armen Kerl. Sogar der Priester klopft auf Holz, wenn er den sieht. ›Pineta. Es sah aus wie ein harmloser Unfall, und doch endete in einem Drama, was gestern im Hotel Santa Bona geschehen ist. Der erste Tag des zwölften internationalen Kongresses für Makrolekul, nein, Makromolekul end Biomakr. . .‹ – also der da – ›ging gerade seinem Ende zu, als das wissenschaftliche Publikum durch einen der Organisatoren vom überraschenden Verschwinden von‹«, Ampelio machte eine kurze Pause, »›Kiimiinoobu Asaahara erfuhr, einem japanischen Wissenschaftler von Weltruhm auf dem Feld der Biotechnologie. Professor Asahara war am frühen Nachmittag etwas zugestoßen, das zunächst nur ein kleines Malheur zu sein schien‹ – das hört sich ja an, als hätte er in die Hose gemacht. ›Vermutlich war er über einen Teppich gestolpert, mit dem Kopf gegen die Kante eines Möbelstücks gestoßen und hatte eine Quetsch- und Risswunde am Schädel davongetragen. Ein scheinbar harmloser Unfall. Doch während er vorsichtshalber auf sein Zimmer gebracht wurde, verlor der betagte Professor plötzlich das Bewusstsein. Die per Telefon herbeigerufenen Ärzte des Bereitschaftsdienstes‹ – also die, die nicht in der Bar waren – konnten nichts anderes tun, als die Helfer zu bitten, auf einen Rettungswagen zu warten. Doch das Unvermeidliche war leider nicht mehr aufzuhalten.«
Sag ich’s doch. Das Unvermeidliche. Wie die Nekrophilie dieser alten Säcke hier. Müssen die denn jedes Mal die Zeitung bei den Unglücksfällen zu lesen anfangen? Warum bloß? Kommt einem ja vor, als hätten sie so eine Art Punktewertung. Olé, jetzt hab ich schon wieder einen unter die Erde gebracht. Ampelio sechstausenddreihundertzwölf, Rest der Welt null. Das wird das Alter sein. Es kommt einem wohl immer unwahrscheinlicher vor, dass man noch am Leben ist. Wo sich doch das Unwahrscheinliche hier allmählich richtig wohlzufühlen scheint. Zwei Morde in zwei Sommern hintereinander in einem Örtchen mit fünftausend Seelen. Wir enden noch wie das Dorf von dieser Amerikanerin in Mord ist ihr Hobby . Ja, die, die in einem Dörfchen mit dreitausend Einwohnern lebt, wo jeden Tag einer umgebracht wird, und ab und zu laden sie auch noch irgendwelche Leute ein, das Wochenende bei ihnen zu verbringen, und Tusch! , wird da auch wer ermordet. Kann das denn sein, dass noch keiner gemerkt hat, dass diese alte Dame Unglück bringt? Was laden die sie auch aufs Land ein?
Während Massimos Gehirn ziellos umherstreifte – es brauchte den Körper gerade nicht zu unterstützen, weil der damit beschäftigt war, die Spülmaschine einzuräumen –, las Ampelio weiter vor, wobei er wie gewöhnlich seine Kommentare in den Artikel einschob: »›Als schließlich der Rettungswagen eintraf, war die Lage bereits äußerst kritisch. In der Notaufnahme angekommen, war die greise Leuchte der Wissenschaft bereits verschieden, und die Ärzte konnten nichts mehr tun, als sein Ableben festzustellen.‹ Und folglich konnten sie alle zurück in die Bar gehen.«
»Wie alt war er denn?«, fragte Del Tacca, während er Zucker in seinen Espresso tat.
»Vierundsiebzig«, antwortete Ampelio. Er faltete die Zeitung zusammen.
»Noch so jung.«
»Ja, wirklich«, lachte Massimo kurz auf, während er das letzte Löffelchen in den Besteckkorb stellte. »Die Amme wird ihn erwürgt haben.«
»Was willst du damit sagen? Pilade hier ist fünfundsiebzig, willst du etwa sagen, dass er auch schon zu lange lebt? Und was ist mit mir, was willst du mit mir machen, der ich dreiundachtzig bin, mich mit dem Stock totschlagen?«
Manchmal hätte ich große Lust darauf, dachte Massimo, während er versuchte, den Korb voller Geschirr in den Schlund des Monsters einzuführen, wobei das Besteck bei jedem gescheiterten Versuch ein ohrenbetäubendes Geschepper erzeugte.
»Das war ein Witz. Genauso wie eurer. Mit vierundsiebzig ist man nicht mehr jung.«
»Kommt drauf an. Du bist erst siebenunddreißig und kommst einem älter vor als wir alle zusammen.«
Und du hast gedacht, dass er es diesmal nicht auf dich abgesehen hat. Massimo wollte gerade antworten, als er vom Prasseln des Regens unterbrochen wurde, gefolgt von Aldos Eintritt in die Bar.
»Salve a tutti, belli e brutti«, sagte er, während er den Regenmantel ablegte,
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