Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
aktive Maßnahmen arbeitete und Morde im Ausland, die von der DDR-Führung angeordnet wurden, in die Tat umsetzte. Möglicherweise war er 1984 an dem Fall Cats Falck in Schweden beteiligt. Habt ihr davon gehört?«
»Ich jedenfalls nicht«, antwortete Riku.
»Falck war Journalistin bei dem TV-Magazin Rapport und beschäftigte sich mit den Waffengeschäften zwischen Schweden und der DDR«, erklärte Elina. »Sie und ihre Freundin verschwanden eines Tages auf mysteriöse Weise. Fast ein halbes Jahr später fand man die Leichen der beiden Frauen in einem Auto auf dem Grund des Hammarby-Kanals von Stockholm. Die Polizei ging von einem Unfall aus. Aber nach dem Zusammenbruch der DDR stellte sich heraus, dass Spezialisten der Stasi am Werk gewesen waren. Sie töteten 1987 in der Stockholmer U-Bahn auch einen Ermittler, der geheime Waffenverkäufe des schwedischen Rüstungsproduzenten Bofors an die DDR untersucht hatte. Einer dieser Stasi-Spezialisten, ›Jürgen G.‹, wurde 2003 verhaftet, wegen Mangels an Beweisen jedoch wieder freigelassen.«
Es wurde still im Wagen, bis Elina das Wort ergriff. »Falls Frey wirklich etwas mit diesen Sonderoperationen zu tun hatte, wird er nicht gerade erfreut sein, wenn plötzlich jemand auftaucht und sich mit ihm darüber unterhalten will. Und schon gar nicht mitten in der Nacht.«
Schweigend nahm Sebastian die Auffahrt zur Schnellstraße. Auch Riku antwortete nicht.
»Sebastian«, sagte Elina vorsichtig. »Riku muss unbedingt alles erfahren. Absolut alles. Bitte erzähle es ihm.«
Ausdruckslos starrte Sebastian vor sich hin. »Hast du das nicht längst erledigt?«
Im blinkenden gelben Licht an der nächsten Kreuzung wirkte Elinas Gesicht fast geisterhaft. Riku sah, wie genau sie die Situation abwog und überlegte, was sie sagte.
»Entschuldige, aber ich konnte nicht anders. Riku musste von deinem Vater erfahren … und von deiner Mutter. Ich begreife sehr wohl, wie schmerzhaft das für dich ist, aber er muss es einfach wissen. Verstehst du das nicht? Riku kann eine große Hilfe für dich sein.«
Wieder herrschte drückende Stille im Wagen.
Schließlich erklärte Sebastian: »Es gibt nichts zu sagen. Es tut mir weh, dass du dein Versprechen nicht gehalten hast. Aber ich verstehe dich. An deiner Stelle hätte ich vermutlich auch so gehandelt.«
Riku war nicht davon überzeugt, dass Sebastian die Wahrheit sagte. Seine Stimme klang angespannt und kalt, obwohl sie vermutlich freundlich klingen sollte.
Sebastian sah Riku im Rückspiegel an. »Ich weiß nicht, inwieweit Sie die Methoden der Stasi kennen; sie setzten männliche Agenten ein, um Frauen zu ködern, die als Informationsquellen interessant waren.«
»Man bezeichnete sie als Romeos«, fügte Elina hinzu.
»Einigen Frauen wurde mit der Zeit bewusst, dass man sie nur benutzte, aber es kümmerte sie nicht oder aber sie konnten nicht mehr zurück, ohne ihr Ansehen oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren«, fuhr Sebastian fort. »Ich glaube nicht, dass meine Mutter je die Wahrheit erfuhr.«
»Wir sind nicht für die Entscheidungen und Taten unserer Eltern verantwortlich«, sagte Riku und fragte dann: »Sie haben Ihre Jugend in den Vereinigten Staaten verbracht. In welcher Gegend?«
»In einer kleinen Stadt in Wyoming.«
»Und danach?«
»Ich bin nach Washington gegangen, um dort Journalismus zu studieren.«
Riku hörte interessiert zu. In der Hauptstadt der USA gab es zahllose Ämter und Institutionen, die als Deckorganisationen für alles Mögliche dienen konnten.
»Und nach dem Studium?«
»Ich war Bildredakteur bei einem großen Medienunternehmen. Aber ich wollte weg. Und Deutschland, meine alte Heimat, zog mich an. Ich nahm meine Kamera, ging nach Europa, und seitdem bin ich hier.«
»Haben Sie schon Kontakt mit Gerhard Frey gehabt?«, wollte Riku nach einer kurzen Pause wissen.
»Nein. Über solche Dinge redet man nicht am Telefon, sondern von Angesicht zu Angesicht.«
»Hast du deine Waffe mitgenommen?«, fragte Elina leicht aggressiv.
Sebastian antwortete nicht, sondern erhöhte die Geschwindigkeit.
44
Das hohe Fenster in der obersten Etage des Jugendstilhauses im Helsinkier Stadtteil Ullanlinna war teilweise geöffnet. Feliks hatte die geräumige Dachgeschosswohnung für einen Monat bei einer Firma gemietet, die auf die Vermittlung kurzer Mietverhältnisse spezialisiert war.
Er blickte auf die Mastbeleuchtung eines großen Segelbootes, das vom Meer zurückkehrte. Das Licht schimmerte wie ein Hoffnung
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