Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Breitenwirkung bei Presse und Gewerkschaft in Betracht gezogen.
    »Bis jetzt haben wir festgestellt, daß lediglich 42 Bergleute vermißt werden«, fuhr Dr. Vittingsfeld fort. »Im Hinblick auf die Trauer der Hinterbliebenen möchte ich noch keine Listen herausgeben. Es kann sein, daß noch einige Eingeschlossene überlebt haben und gerettet werden können. Bitten wir Gott darum«, fügte er theatralisch hinzu.
    Kurt Holtmann schwieg. Er hatte die genaue Zahl von 218 Toten in der Tasche. Welchen Sinn hätte es aber gehabt, aufzuspringen und zu rufen: Er lügt! Über zweihundert sind noch im Berg! Sie hinterlassen fast sechshundert trauernde Menschen, sechshundert Frauen und Kinder, die den Berg verfluchen werden ihr Leben lang! Und diese zweihundertachtzehn haben darauf gewartet, daß man das Methangas abzieht, daß alle Vorkehrungen, die es nur gibt, getroffen sind, daß sie vor der Kohle stehen und nicht auf einem riesigen Pulverfaß sitzen. Nein, das sagte er nicht, der Kurt Holtmann. Nicht jetzt und hier an dieser Stelle, wo die Welt auf die Zeche Emma II blickte und die Erschütterung in Millionen Haushalte Einzug hielt, am Mittagstisch, vor dem Radio, dem Fernsehapparat, Vater in Hemdsärmeln, ein gutes Schnitzel auf dem Teller, eine Flasche Bier daneben: »Die armen Kerle! Kann denn so was immer noch nicht verhindert werden? Erna, hast du dir nun schon überlegt, wohin wir am Samstag unseren Ausflug machen …?«
    Und dann Musik. Ich hatt' einen Kameraden. Oder die Fünfte von Beethoven. Bumbumbum – bum. Fahnen auf Halbmast. Schwarze Schlipse für alle Angestellten und Direktoren. Schwarze Fahne auf dem Förderturm.
    Kameraden! Ihr werdet ewig in unserer Erinnerung leben!
    Und in Gelsenkirchen die Rechnung: Was kostet uns der Zuschuß für 218 Familien? Man ist zwar nicht verpflichtet zu übertriebener Hilfeleistung, aber große Gesten zahlen sich immer aus, vor allem bei Subventionsverhandlungen in Bonn.
    Und ein Fond wird gegründet. Ein Spendenkonto bei der Sparkasse Buschhausen eingerichtet. Konto Nummer 1000. Stichwort: Gruben-Opfer von Buschhausen.
    Appelle ans Herz des deutschen Volkes! Beweist die Verbundenheit mit dem Kumpel! Zahlt ein, Leute!
    Kurt Holtmann schüttelte diese Gedanken ab. Dr. Vittingsfeld sprach von Dr. Ludwig Sassen, der noch immer unter Tage war, beim dritten Querschlag stand und ihn bis auf eine Lücke zumauern ließ. Dieses Fenster aber hielt er frei. Vier waren noch zu ihm hingekrochen, einer bis zur Hälfte verbrannt.
    »Es sind welche unten!« schrien sie, ehe sie zum Füllort weitergetragen wurden. »Wir haben noch siebzehn gesehen!«
    Siebzehn Lebende in der Hölle. Dr. Ludwig Sassen zögerte noch einmal, das letzte Loch zumauern zu lassen. Er stand davor, starrte in die heiße Dunkelheit und hörte von fern das Prasseln der brennenden Verkästung, das Zusammenbrechen der Stempel, das Rauschen des Brandes.
    Pater Wegerich und Dr. Fritz Sassen kümmerten sich mit zwei Ärzten und vier Sanitätern um die Geretteten, ehe diese ans Tageslicht gebracht wurden.
    Im Sitzungssaal schloß Dr. Vittingsfeld seine Pressekonferenz. Er blieb am Rednerpult stehen, bis alle gegangen waren und nur noch Kurt Holtmann auf seinem Platz saß. Langsam kam Vittingsfeld auf ihn zu, den Zeigestock noch immer in der Hand, und blieb einen Schritt vor ihm stehen.
    »Sie waren während der ganzen Konferenz hier?« fragte er.
    »Ja.«
    »Und Sie haben geschwiegen?«
    »Wie Sie gesehen haben.«
    »Warum? Sie haben doch die wirklichen Unterlagen in der Tasche, nehme ich an.«
    »Ganz richtig. Es sind 218 Tote. Von den geborgenen Schwerverletzten werden auch noch etliche sterben. Und die Explosion war kein unabwendbarer Schicksalsschlag, das wissen Sie so gut wie ich, Herr Generaldirektor.«
    »Und warum haben Sie das nicht hinausgeschrien, Holtmann?«
    »Weil das jetzt verkehrt wäre. Jetzt darf nicht die Volksseele zum Kochen gebracht und dadurch eine zweite Explosion herbeigeführt werden, sondern jetzt kommt's darauf an, Mitleid zu erregen.«
    »Sie sind durchaus nicht der Schwachkopf, für den ich Sie hielt.« Dr. Vittingsfeld blickte Holtmann nachdenklich an. »Ich muß mich doch noch einmal mit Ihnen befassen.«
    Nach Mitternacht – das letzte Fenster in den Sperrmauern war nun auch geschlossen und Direktor Dr. Sassen mit sanfter Gewalt aus der Grube ausgefahren worden – meldete einer der Suchtrupps Klopfgeräusche oberhalb der vierten Sohle. Durch Zufall hatte man sie gehört, weil einer der

Weitere Kostenlose Bücher