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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Männerarbeit, eine Schneiderin kann doch nicht zuschneiden, sie macht einem überall Falten hinein!‹ Und wenn du auch nur die leiseste Kritik an ihrem neuen Kleid übst, wird sie aggressiv, dann bist du ihr Feind, und sie blickt dich hasserfüllt an, oder aber sie kriegt den Verfolgungswahn und möchte sterben. Also keine Frauen mehr, ich habe genug von ihnen! Und diese Verpflichtung, bei ihr liegen zu bleiben, nachdem das, was Michael die übliche Sache nennt, vorbei ist, und dann gurren sie gefühlvoll und streicheln dir die Schulter, das tun sie immer danach, das ist ihre Manie, und sie erwarten immer das Belohnungszuckerl und dass du ihnen dankbare Artigkeiten sagst und wie göttlich es gewesen sei. Wirklich, können sie mich meine Schande nicht in Ruhe verdauen lassen? Also keine Frauen mehr! Alle Zähne werde ich mir ziehen lassen, damit sie nichts mehr von mir wissen wollen, und ich bin sie los! Doch leider, nichts zu machen, sie verfolgt mich Tag und Nacht«, seufzte er und streckte sich. »Adrien, mein guter Adrien, erfrische mich mit Weintrauben, stärke mich mit Äpfeln, denn ich bin liebeskrank. Nein, nicht liebeskrank, aber sie verfolgt mich. (Bezaubert von dem unerwarteten Du, dem unwiderleglichen Beweis einer persönlichen Beziehung, jedoch bestürzt über die Weintrauben und Äpfel, bemühte sich der junge Beamte, eine verständnisvolle und mitfühlende Miene aufzusetzen.) Sag, Adrien, erlaubst du, dass ich dich duze?«
    »Natürlich, Monsieur, ganz im Gegenteil. Das heißt, ich meine …«
    »Nenne mich nicht Monsieur, nenne mich Bruder! Menschenbrüder, du und ich, dem Tode versprochen, bald unter der Erde, du und ich, brav und parallel!«, rief er fröhlich. »Los, trink diesen Champagner, er ist
brut
wie du und
imperial
wie sie! Trink, und ich werde dir von meiner Besessenheit erzählen, von der Augenausstecherin, der gefährlichen Neiraa mit den langen Sternenwimpern, von Neiraa, der grausam Abwesenden. Trink!«, befahl er Adrien, der gehorchte, sich verschluckte und husten musste. »Nein, mein Freund, nein, getreuer Polonius, von Liebe nur bin ich trunken! Von Liebe, und so sehr, dass ich dich bei deinem Bart packen und in der Luft dich herumschwenken möchte eine ganze Stunde, so sehr liebe ich sie, und so sehr liebe ich auch dich! Ja, ich weiß, ich drücke mich nicht gut aus, denn seit kurzem erst eingebürgert bin ich! Also trunken vor Liebe«, sagte er, verzweifelt lächelnd, »trunken vor Liebe, aber weißt du, das Schreckliche ist, dass sie einen Mann hat, einen armen Kerl, und wenn ich sie ihm wegnehme, wird er leiden. Aber was soll ich tun? Ach, ich muss dir alles von ihr erzählen, von ihren Reizen, ihren langgeschwungenen Wimpern, ihren einsamen Selbstgesprächen, vom Himalaya, der ihre Heimat ist. Dir alles zu sagen ist mir ein Bedürfnis, denn du allein kannst mich verstehen, und Gnade uns Gott! Ja, dir alles sagen, wie unglaublich verliebt ineinander wir sein werden, sie und ich, dir alles sagen, aber zuerst ein Bad nehmen, denn mir ist heiß. Bis gleich, mein guter Adrien.«
    Kaum war der junge Deume erneut allein, grinste er wieder wie ein Pennäler. Vollkommen blau, der Boss. Parallele Leichen, Weintrauben, Äpfel, das konnte nur der Champagner sein. Und was für ein wirres Gefasel! Wieso Augenausstecherin, wieso Polonius?
    »Und diese Idee, mich beim Bart packen und herumschwenken zu wollen, weil er mich so liebt! Zum Totlachen! Voll wie eine Haubitze! Immerhin hat er mir gesagt, dass er mich liebt, stell dir vor! Als persönliche Beziehungen ist das nicht zu überbieten!«
    Er runzelte die Stirn. Der Himalaya war ihre Heimat? Sag bloß, dann war es die Frau des indischen Delegierten! Na klar, natürlich, sie war aus Nepal, mitten im Himalaya! Und der Vorname, den er gesagt hatte, klang auch sehr indisch. Ja, ja, die Frau des ersten Delegierten! Charme hatte sie ja, schöne Augen, lange Wimpern, es konnte eigentlich nur die schöne Nepalesin sein! Na, mein Alter, da werden dem indischen Delegierten ja schöne Hörner wachsen! Denn der Boss war ein richtiger Charmeur, das muss der Neid ihm lassen! Pech für den Delegierten! Aber wichtig war eigentlich nur, dass er, Adrien Deume, jetzt auf vertrautem Fuß mit dem U.G.S. stand, ja auf zwei vertrauten Füßen sogar, verdammt noch mal! Dass er ihn in Liebesdingen ins Vertrauen zog, war die Garantie für eine baldige Beförderung! Nur du kannst mich verstehen, das war schon schmeichelhaft. Ihn also gleich nach der Rückkehr von

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