Die Schöne des Herrn (German Edition)

Herzen. Sechstes Spielchen, die Verletzlichkeit. Ja, natürlich, Nathan, sei männlich und grausam, aber wenn du vollendet geliebt werden willst, musst du auch ihre Mütterlichkeit erwecken. Hinter all deiner Stärke muss sie ein Quentchen Schwäche entdecken. Sie lieben es, hinter dem großen kräftigen Kerl das Kind zu entdecken. Ein wenig Zerbrechlichkeit hie und da – aber wiederum nicht zu viel –, das gefällt ihnen sehr und rührt sie ungemein. Kurz, neun Zehntel Gorilla und ein Zehntel armes Waisenkind, das verdreht ihnen den Kopf.
    Siebtes Spielchen, die vorweggenommene Verachtung. Sie muss so früh wie möglich gezeigt werden, aber nicht in Worten. Frauen sind, was das Vokabular betrifft, sehr empfindlich, besonders zu Anfang. Aber die Verachtung in einem gewissen Tonfall, in einem gewissen Lächeln, das spüren sie sofort, und es gefällt ihnen und verwirrt sie. Ihr Innerstes sagt sich, dass der da verachtet, weil er es gewohnt ist, geliebt zu werden und die Frauen geringzuschätzen. Also ein Herr und Meister, der sie alle in die Knie zwingt. Und ich will auch in die Knie gezwungen werden!, verlangt ihr Innerstes. Mit dem Hund, den ich morgen verführen werde, werde ich jeden Tag hinausgehen. Er wird so glücklich sein, mit mir spazieren zu gehen, er wird vor mir herlaufen, sich aber immer wieder umdrehen, um mich anzusehen, um sicher zu sein, dass der Schatz, der ich für ihn bin, noch immer da ist, und plötzlich wird er auf mich losstürzen, an mir hochspringen und mich mit seinen Vorderpfoten liebevoll beschmutzen. Welche Frau würde das tun?
    Achtes Spielchen, Rücksicht und Komplimente. Mag ihr Unterbewusstsein die Verachtung auch lieben, ihr Bewusstsein verlangt Rücksichtnahme. Dieses Spielchen ist besonders am Anfang anzuwenden. Später kannst du darauf verzichten. Aber während der Verführung wird sie es genießen, dass derjenige, der alle anderen verachtet, sie preist, und sie wird jubeln, weil sie die Einzige ist, die Gnade findet. Daher wirst du der unterschwelligen Verachtung Bewunderung in Worten hinzufügen, so dass sie sich sagt, endlich einer, der mich versteht! Denn sie lieben es, verstanden zu werden, ohne allerdings genau zu wissen, was das bedeutet. Frag sie nur einmal, wenn sie mit edler Trauermiene diesen berühmten Satz vom Ehemann, der sie nicht versteht, hervorkramt. Versuch herauszufinden, was sie unter Verstandenwerden versteht, und du wirst deinen Ohren nicht trauen, wenn du ihre konfuse Antwort hörst.
    Zu Beginn also massive Komplimente. Und hab keine Angst, zu weit zu gehen. Sie schlucken alles. Sich ihre Eitelkeit zunutze zu machen ist ein guter Köder. Eitel? Ja, aber vor allem sind sie sich ihrer so wenig sicher. Sie brauchen ständige Bestätigung. Denn morgens vor dem Spiegel entdecken sie eine Menge Unvollkommenheiten, mattes und zu trockenes Haar, die gehassten Schuppen, die zu weit geöffneten Poren, die hässlichen Zehen, vor allem die letzte, die bucklige, die kleine missgestaltete mit dem lächerlichen Nagel. Du siehst also, welchen Gefallen du ihr erweist, wenn du sie zu einer Göttin machst. Nie sind sie sich ihrer sicher. Daher ihr krankhaftes Bedürfnis nach neuen Kleidern, die sie wieder neu und begehrenswert machen. O die jämmerlichen, zu langen lackierten Fingernägel, die idiotischen ausgezupften Augenbrauen, der stumpfsinnige Gehorsam, mit dem sie sich dem Diktat der Mode unterwerfen. Sagt ihnen, in diesem Jahr seien Röcke mit einem großen Loch am verlängerten Rücken modern, und sie werden sich schleunigst durchlöcherte Röcke anfertigen lassen und ihre nackten Rundungen zeigen. Mach ihr also über alles Komplimente, auch über das absurde katastrophale Hütchen, das sie sich wie eine ewige Strafe auf den Kopf klebt. Komplimente sind ebenso Sauerstoff für sie wie ein neues Kleid, sie atmet sie tief ein und blüht wieder auf. Kurz, sei derjenige, der ihr Selbstvertrauen gibt, und sie wird ohne dich nicht mehr auskommen können, selbst wenn es dir am ersten Abend noch nicht gelungen ist, sie vollständig zu verführen. Jeden Morgen beim Erwachen wird sie an dich denken und sich deine Lobreden wiederholen, während sie ihr Schamhaar krault, was offenbar ihre Konzentrationsfähigkeit fördert. Nebenbei gesagt, hab keine Angst, von Zeit zu Zeit anzüglich zu sein. Das öffnet manche Schranken. Sobald sie weiß, dass du weißt, dass sie eine geheime Behaarung hat und dass du sie dir blond oder braun oder schwarz vorstellst, ist sie schon viel