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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Hymnen zurückgeben, auf dass ich mich getraue, die ehemalige Geliebte wiederzusehen und sie nicht mehr zu lieben? Aber es gibt keine Hexe, und die Jugend kehrt nicht wieder. Ach, man könnte vor Lächeln sterben.

    Die anderen trösten sich mit Ehren, politischen Gesprächen oder Literatur. Oder sie trösten sich, diese Narren, mit der Freude, berühmt zu sein oder zu befehlen oder in aller Ehrbarkeit ihre Enkelkinder auf den Knien reiten zu lassen. Ich, sagt derjenige, der einmal jung war, ich will nicht weise sein, ich will meine Jugend, ich will ein Wunder, ich will die Früchte und die Blumen der Geliebten, ich will niemals müde sein, ich verlange die schwarzen Hymnen, die mein Haupt krönten. Ganz schön dreist, dieser Greis. Los, man zimmere ihm einen schönen neuen Sarg und stecke ihn hinein!

    Dein Jasminhauch, o meine Jugend, ist stärker als zur Zeit meiner Jugend, sagt derjenige, der einmal jung war. Du wirst nicht wiederkehren, meine Jugend, meine Jugend, die gestern war, und ich habe Rückenschmerzen, und diese Rückenschmerzen sind vielleicht ein Zeichen des Endes. Ich habe Rückenschmerzen und Fieber, und meine Knie sind müde, und man wird einen Arzt rufen müssen. Aber lieber will ich meine Arbeit beenden, sagt derjenige, der einmal jung war. Beeil dich, sagt er, beeil dich, verrückter und geduldiger Arbeiter, zuverlässiger Schnitter des Unglücks, beeil dich, diese empfindsamen Vögel werden bald schweigen, beeil dich, überwinde deine Müdigkeit, denn die Nacht bricht herein, raffe ein paar Garben zusammen. Nur Mut, sagt er mit einer Stimme schwach wie die Stimme seiner Mutter. Und ihr Menschen, lebt wohl, sagt er. Leb wohl, leuchtende Natur, bald kehre ich in das ewige Erdloch zurück, leb wohl. Wenn ich es recht bedenke, war es nicht sehr lustig hier unten.

    Allein auf meiner Eisscholle, sagt derjenige, der einmal jung war, auf meiner Eisscholle, die mich in der Nacht ich weiß schon wohin treibt, gelähmt und bereits in Agonie, segne ich mit schwacher Hand, segne die Jungen, die sich in dieser Nacht an Liebesgeständnissen berauschen, geflüstert unter den Sternen mit ihrer unendlichen Musik. Allein auf meiner Eisscholle, aber noch immer höre ich die Gesänge des Frühlings. Ich bin allein, ein Greis auf einer Eisscholle, und es ist Nacht. So spricht einer, der einmal jung war.

    Leb wohl, Ufer der Jugend, das ein alternder Mann betrachtet, verbotenes Ufer, wo die Libellen ein kleiner Blick Gottes sind. O du, sagt er, du, die du einst schön und edel warst, und ebenso verrückt wie Ariane, du, deren Namen ich nicht nenne, wir lebten auf diesem Ufer, und wir waren dort Bruder und Schwester, meine Geliebte, du, die Sanfteste und die Widerspenstigste, die Edelste und die Schlankste, die Lebhafte, die sich im Kreise Drehende, die Sonnige, du, die Erhabene, die Freche, die Geniale, die Sklavin, und gern hätte ich alle Stimmen des Windes gehabt, um allen Wäldern zu sagen, dass ich liebte, diejenige liebte, die ich liebte. So spricht einer, der einmal jung war.

    Es herrscht Stille auf dem Friedhof, wo die ehemaligen Liebhaber und ihre Geliebten schlafen. Wie brav sie jetzt sind, die Armen. Vorbei das Warten auf die Briefe, vorbei die ekstatischen Nächte, vorbei das feuchte Aneinanderschlagen der jungen Körper. In den großen Schlafsaal damit! Da liegen sie alle, die Regimenter der stummen knochigen Spaßvögel, die einmal stürmische Liebhaber waren. Traurig und allein auf dem Friedhof die Liebhaber und ihre Schönen. Das verwunderte Röcheln der vor Lust überwältigten Geliebten, ihr plötzliches Erbeben, ihre zum Himmel erhobenen Augen einer Heiligen, ihre geschlossenen, die Lust auskostenden Augen, die edlen Brüste, die sie dir bot, in die Erde damit! In eure Erdlöcher, ihr Liebenden.

    Um Mitternacht auf dem Friedhof aus ihren Gräbern gestiegen, tanzen artig mit ungelenken Gliedern stumme vertrocknete Herren, plattnasig und mit grinsendem Mund, aber mit ausdruckslosen Kieferknochen und aus großen schwarzen Augenhöhlen starrend. Ohne Nase hampeln sie herum, in Zeitlupe, aber unermüdlich, Fußwurzel- und Mittelfußknochen gegeneinanderschlagend und mit ihren Gebissen klappernd im Takt der Musik dieser Hirtenflöte, die ein winziger Verstorbener, mit gelber Mütze und auf diamantbesetzten Ballschuhen hockend, an den schwarzen Abgrund seines ehemaligen Mundes hält.

    Zu den Klängen des Schlittschuhläuferwalzers tanzen diese Herren und Damen und hüpfen manchmal, Kieferknochen an

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