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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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arme Kleine doch Waise ist, und dieser Didi taugt als Mann nicht die Bohne.«

LXVI

    Jetzt brauchte sie nur noch das weiße Crêpe-Kleid und die vier Kostüme anzuprobieren. Sie beanstandete, dass das Kleid in den Hüften etwas zu weit sei – denn sie bestand zwar darauf, dass ihre edlen Rundungen sichtbar und durch enges Anliegen des Kleides unterstrichen wurden, aber als Tochter aus gutem Hause wollte sie es nicht sagen müssen und auch nichts davon wissen. Der Couturier beruhigte sie. Sie glaubte ihm nicht, schwieg jedoch feige. Für Änderungen war es ohnehin zu spät.
    Ein Blick genügte ihr, um zu erkennen, dass das hellgraue Kostüm verpfuscht war. Sie richtete es so ein, dass sie es nicht mehr sehen musste, und blickte starr auf die Wanduhr, während Volkmaar die letzten Änderungen mit Stecknadeln markierte, was überflüssig war, denn sie hatte bereits beschlossen, diesen Plunder, der nach buckliger Ladenverkäuferin aussah, Mariette zu schenken.
    »Und jetzt das hübsche Anthrazitgraue, liebe gnädige Frau.«
    Fassungslos schaute sie auf die zu eng geschnittene Jacke, die oben viel zu breiten Revers, die dafür unten idiotisch schmal waren, und die ausgestopften Schultern, die wie billige Konfektion wirkten. Jetzt war ihr plötzlich alles klar. Die Modelle waren perfekt, weil sie aus Paris kamen, doch dieser Trottel war völlig unfähig, sie zu kopieren. Sie ließ ihn in dem Glauben, es beruhige sie, wenn er ihr erzählte, es sei alles nur eine Frage des Bügelns, und wenn er da und dort zog und zupfte, wo es nicht passte, was die Mängel nur für ein paar Sekunden behob. Um sie abzulenken und sie nicht allzu lange über die beiden sichtlich verpfuschten Kostüme nachdenken zu lassen, machte er ihr Komplimente über ihre göttliche Figur, was sie anwiderte. Was ging ihn das an, was bildete sich dieser weibische Kerl eigentlich ein?
    »Und jetzt, liebe gnädige Frau, nur noch die beiden entzückenden schlichten Ensembles, und dann sind wir fertig.«
    Ergeben ließ sie die letzten Anproben über sich ergehen. Noch schlimmer als die beiden Flanellkostüme. Protestieren? Wozu? In den wenigen Stunden konnte er nichts mehr in Ordnung bringen. Außerdem war er vollkommen unfähig und verstand überhaupt nichts vom Zuschneiden eines Kostüms. Oh, warum war sie nur zu diesem Kerl gegangen! Oh, warum hatte sie nicht einfach von der Stange gekauft! Mein Gott, nur eine Minute vor einer Dummheit ist es noch so leicht, sie nicht zu machen!
    »Ja, sehr gut, danke, Monsieur Volkmaar.«
    Als Volkmaar verschwunden war, setzte sie sich. Tränen halfen auch nicht weiter. Und schließlich waren die Kleider nicht schlecht, manche wenigstens. Nur die Kostüme waren eine Katastrophe. Sie würde sie noch heute Abend verbrennen, sobald man sie ihr ins Haus lieferte. Nein, verbrennen wäre zu kompliziert, und außerdem würde das Haus danach stinken. Sie lieber in kleine Stücke zerschneiden und im Garten vergraben. Dann hätten sie nie existiert, und sie würde nicht mehr daran denken. Später würde sie nach Paris fahren und dort falls nötig zehn Kostüme bestellen, ja, zehn, damit wenigstens zwei oder drei wirklich gelungen wären. Wenn man sich gut anziehen will, muss man Müll in Kauf nehmen. Nun ja, das geschnürte Leinenkleid stand ihr gut, eine Art Segeltuch im Grunde, aber so dünn und so leicht.
    »Ein Segelkleid«, sagte sie lächelnd, entzückt über die Formulierung.
    Sie zog Unterkleid, Slip, Strümpfe und Büstenhalter aus, die sie nur wegen des Schweins getragen hatte. Ja, alles ausziehen, es war so heiß heute, mindestens dreißig Grad. Nackt schlüpfte sie in das liebe Kleid, das so hübsch mit den vorne gekreuzten Schnürbändern war, so weiß und geschmeidig, mit weitem Ausschnitt und göttlich ärmellos, heroisch und statuenhaft mit diesen herrlichen Falten. Oh, wie wohl sie sich darin fühlte! Ja, eine gute Idee, nichts darunter zu tragen. Bei dieser brütenden Hitze. Und das köstliche Gefühl, sich über die Leute auf der Straße zu mokieren, die von ihrer Nacktheit nichts ahnten.
    Sie öffnete einen Karton, entnahm ihm die vorhin gekauften weißen Sandalen und lächelte ihnen zärtlich zu. Nackte Beine und Sandalen, das passte ausgezeichnet zu diesem Segelkleid. Das Unterkleid, die Schuhe, der Slip und die Strümpfe wurden in den Karton gesteckt. Weg damit, die konnte der Kostümverpfuscher mit ihrem alten Kleid und dem Rest der Bestellung nach Cologny liefern lassen. In dem dreiteiligen Spiegel waren die

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