Die Schöne des Herrn (German Edition)
einfiel, das ist eine Begabung, die hat man oder man hat sie nicht.«
LXV
»Manchmal ist die Kleine schon eine Nummer, und dass Sie verstehen, was für eine Nummer sie ist, muss ich Ihnen die Geschichte mit der Languste erzählen, warten Sie, sagen Sie nichts, Sie werden schallend lachen, also, wie ich aus Paris gekommen bin, hab ich ihr eine Languste mitgebracht, eine Überraschung, ein Geschenk, richtig schwer und kerngesund, und die ganze Zeit rumorte sie im Zug in ihrem Korb, und wie ich ihr sagte, ich würde sie lebendig zerschneiden, um sie
à l’américaine
zuzubereiten, wo das doch so köstlich ist, da hat sie furchtbar geschrien und die Augen zugekniffen, ich verbiete es, ich verbiete es, hat sie geschrien, das ist Tierquälerei, und da sag ich, um sie zu beruhigen, schön, dann schneid ich ihr zuerst den Kopf ab, dass sie nichts spürt, und da schreit sie wieder los, als würde ihr der Kopf abgeschnitten, und ich drauf, nett und geduldig, schön, sag ich, dann tauch ich sie ins kochende Wasser, aber da hätten Sie sie sehen sollen, außer sich vor Wut und ganz weiß im Gesicht, als ob man ihr die Unschuld rauben wollte, aber Madame Ariane, das hat man immer schon so gemacht, dass sie gut schmecken, muss man sie lebendig töten, mit den Langusten ist es halt so, die sind dazu geschaffen, dass man ihnen den Kopf abschneidet oder sie ins kochende Wasser wirft, weil wie soll man es sonst machen mit den Langusten, sie vielleicht mit Chloroform einschläfern wie im Krankenhaus? und außerdem leidet so eine Languste gar nicht, die ist dran gewöhnt, der können Sie den Kopf abschneiden, und sie sagt kein Wort, aber nichts zu machen, Sie hätten sie sehen sollen, eine wahre Tigerin, und jetzt kommt das Beste, sie hat die lebende Languste im Wagen zum Flugzeug gebracht, was nach Nizza fliegt, dass man sie dort ins Meer setzt, gegen ein gutes Trinkgeld, dass ich nicht lache, der Pilot des Flugzeugs wird sich ins Fäustchen gelacht haben, er hat sie bestimmt
à l’américaine
verspeist, und mit dem Trinkgeld konnte er sich noch eine gute Flasche leisten, verstehen Sie, sie ist halt ganz Dame von Welt, immer ehrlich, und glaubt, alle sind wie sie, und am Ende muss sie immer draufzahlen, aber um auf ihren Freund zurückzukommen, der ist ein Bürokrat, ja, politischer Papierkram und so, aber der hohe Vorgesetzte des gehörnten Pudels, das weiß ich aus ihrem intimen Heft, er soll schön sein wie nur was, das hab ich alles in ihrem Heft gelesen, das ist keine Indiskretion, das ist keine Neugier, ich will nur Bescheid wissen, auf dem laufenden sein, wo ich mich doch für sie interessiere wie für die eigene Tochter, und dann ist es halt auch Schicksal, dass sie ihr Heft in einem Koffer liegen lässt, wo es doch schließlich nicht meine Schuld ist, wenn sie ihn nicht zuschließt, da ist man ja direkt gezwungen, vor allem wenn sie in ihrem Bad sitzt, Sie können sich gar nicht vorstellen wie oft, na ja, wenn es ihr Freude macht, den Fisch zu spielen, sie ist frei und ihre eigene Herrin, und nach der Art zu urteilen, wie sie mit mir spricht, ist sie verrückt vor Glück, dass ihr Schatz heute Abend kommt, und wissen Sie, warum sie so lange in ihrem kochenden Wasser sitzen bleibt, ich weiß es, wo ich doch eine Frau bin, die wo sich auskennt in Gefühlsdingen, sie macht es, um sich auszumalen, wie es heute Abend mit ihrem süßen Schatz sein wird, na ja, ich war schließlich auch mal jung, in Gefühlsdingen lass ich mir nichts vormachen, von ihr schon gar nicht, es ist genauso wie wenn sie mir einreden will, dass ich müde bin und heute früh nach Hause gehen soll, vier Uhr hat sie gesagt, angeblich aus Rücksicht und so, aber sie kann es gar nicht erwarten, dass ich abhau, das ist alles nur Theater, dass sie genügend Zeit hat, sich rauszuputzen, und dass ich nicht da bin und es merke, und auch, dass ich ihn nicht sehe und sie in aller Ruhe schmusen können, armer Didi, aber Madame Ariane, ich könnte doch heute Abend noch mal kommen und den Tee servieren, wenn dieser Monsieur bei Ihnen ist, dann haben Sie’s bequemer, nein danke, liebe Mariette, Sie brauchen Ihre Ruhe, sagt mir die kleine Lügnerin, na schön, ich werd um vier gehen, wie sie gesagt hat, aber psst, kein Wort, kurz vor neun, wo er doch um neun ankommen soll, wie es im Telegramm steht, also kurz vor neun versteck ich mich gegenüber, um mir ihren Märchenprinz mal aus der Nähe anzusehen, liebe Mariette, hat sie gesagt, doch immerhin nett von ihr, wo die
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