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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Sie rieb sich die Nase damit ein, fand sich in einen Clown verwandelt, griff nach einem Handtuch und rieb den Talkum ab, während es abermals klingelte. Rufen, sie käme gleich? Nein, das würde den ganzen Zauber zerstören.
    Sie rannte die Treppe hinunter, bemerkte, dass sie einen rosa Slip in der Hand hielt, und versteckte ihn rasch im Bücherschrank hinter dem Spinoza. Trotz des immer ungeduldigeren Läutens warf sie noch einen Blick in den Ankleidespiegel und zwang sich zur Ruhe, um sich wirklich genau zu sehen. Keine Katastrophe, sie war noch präsentabel.
    »So, es ist so weit, ich komme«, murmelte sie.
    Gut, solange er noch klingelte, war er nicht fortgegangen. Trunkenen Schrittes ging sie auf die Tür des Wunders zu, öffnete sie mit einem göttlichen Lächeln und prallte zurück. Einen Koffer in der Hand und seinen dicken Spazierstock unter dem Arm, stand ihr Ehemann vor ihr, Adrien Deume, mit seinem Vollbart, seiner Hornbrille und seinem gutmütigen Lächeln.

LXXIII

    Am selben Abend saßen Eisenbeißer, Salomon und Mattathias auf dem Gras einer Wiese in der Nähe der Deumeschen Villa und blickten schweigend auf Michael, der an einem Heuschober lehnte, ein Bein untergeschlagen, im prächtigen Staat seines phantasievollen Aufputzes mit den Patronentaschen aus ziseliertem Silber, und schmachtend seine gluckernde Wasserpfeife rauchte, deren Glut auf der Kuppel aus goldenem Tabak knisterte. Des Wartens müde, ergriff Eisenbeißer das Wort.
    »Wohlan, Michael, du Quälgeist und Henker unserer Seelen, du Ungeheuer und Nachfahre von Leviathan, du heimlicher Vater von einhundertundein Bastarden, willst du nun endlich sprechen und sagen, wozu wir in dieser eintönigen Landschaft im Schein dieses Holzfeuers sitzen? Glaubst du, dass wir noch länger unser Geschick ertragen, während du mit geschlossenen Augen wie ein Sultan deine Pfeife rauchst? Komm, brich endlich dieses englische Schweigen und kläre uns auf! Worin besteht diese geheime Mission, und welches Komplott hast du ausgeheckt, und was machen wir hier des Nachts um Viertel nach zehn bei Vollmond, und warum diese beiden gefährlichen Schimmel, die du ohne jede Erklärung an jenen Baum gebunden hast?«
    »Und warum behieltest du diese Kutsche mit innerem Dampfantrieb, die sich von allein bewegt und deren stets vorrückende Uhr einen immer höheren Fahrpreis anzeigt?«, fragte Mattathias und deutete mit seinem aufblitzenden Haken auf das mit gelöschten Scheinwerfern auf der Straße parkende Taxi. »Was für eine unerhört verrückte Idee, ihrem Fahrer befohlen zu haben, auf uns zu warten? Sind wir denn unserer Beine beraubt? Wisse jedenfalls, dass ich nicht geneigt bin, auch nur den kleinsten Anteil der Summen in Schweizer Franken beizutragen, die sich auf dieser räuberischen Uhr unaufhörlich vermehren!«
    »Komm schon, Michael, öffne deinen Ofen und lass das Geheimnis heraus!«, beschwor ihn Eisenbeißer.
    »Ja, erkläre, lieber Michael, denn wir leiden, da wir nichts wissen!«, bettelte Salomon.
    Michael schloss die Augen zum Zeichen der Weigerung, öffnete sie wieder, schüttete ein wenig Glut auf den Tabak seiner Wasserpfeife, atmete den Rauch tief ein und stieß ihn in kleinen Wolken wieder aus, die er mit herrscherlicher Würde betrachtete.
    »Rede, seit Urzeiten fordere ich dich dazu auf!«, rief Eisenbeißer. »Willst du meinen Tod, so sage es offen und ehrlich! Glaubst du wirklich, ich könnte das Leben noch lange ertragen, wenn ich weiß, dass ein anderer weiß, was ich nicht weiß?«
    »Und ich armes Kerlchen, ich weiß noch weniger!«, sagte Salomon mit winzigen Handbewegungen. »Alles, was ich weiß, ich beklagenswertes Opfer, ist, dass ich heute früh noch in Athen war, in eurer angenehmen Gesellschaft, liebe Vettern, mit Freuden bereit, mich in Piräus, dem Hafen von Athen, nach unserer schönen Heimatinsel Kephalonia einzuschiffen, die keiner anderen gleicht, sowie zu meinem geliebten Weib, der ebenfalls keine andere gleicht und die ich voller Freude nach so vielen Reisen in so viele Länder in die Arme zu schließen gedachte, als der ehrwürdige Saltiel in einem Anfall von Zuneigung plötzlich Lust verspürte, den Herrn Solal, Neffe seiner Seele, wiederzusehen, und dieser Onkel in seiner übergroßen Zärtlichkeit daraufhin eine sofortige Abreise durch die Lüfte und Winde befahl! Wohlan, armer Salomon, gehorche! Gehorche, o Unglücklicher, und verzichte auf den bezaubernden Anblick deines angetrauten Weibes!«
    »Gut gesprochen,

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