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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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ich, sterbend vor Hunger und brennend vor Neugierde, dich in aller Höflichkeit, Gutwilligkeit und Empfindsamkeit über den Grund dieser seltsamen Verspätung befragte und du mir einen neuerlichen Verlust an Ansehen, Einfluss und Ehre zufügtest, indem du mir unverschämt antwortetest, du habest einen kleinen Spaziergang mit dem Neffen Saltiels gemacht, und das unter grausamer Auslassung weiterer Einzelheiten, um meine Würde mit Füßen zu treten! O ungerechte Behandlung! O grausames Schicksal! O Mutter in deinem Grab, warum hast du mich zur Welt gebracht?«
    Wie ein großer Tragöde fuhr er sich mit der Hand über die schweißgebadete Stirn, um seine Niedergeschlagenheit zu vertreiben.
    »Du redest gut, o Weiser«, sagte Salomon.
    »Das weiß ich wohl, und ich fahre fort in meiner Strafpredigt. Was geschah dann, o Michael? Du fordertest uns auf, dich auf eine geheime Mission zu begleiten, und trotz meiner inständigen Bitten weigertest du dich grausam, uns irgendetwas zu verraten, versprachst uns jedoch, alles am Ort der Ausführung des Komplottes zu erklären. Ich schickte mich drein! Mehr noch, ich fügte mich demütig und ertrug geduldig, wie du dich herausputztest mit Waschungen und Wohlgerüchen und blödsinnigen Liebesgesängen und Auftragen der sogenannten ungarischen Pomade auf deinen gefärbten Schnurrbart, und Aufrichtung und Fixierung desselben mittels eines feinen und lächerlichen Netzes, welches du minutenlang an deinen Ohren befestigt hattest.«
    »Besänftige doch bitte deine Winde, denn ich kann dich kaum verstehen«, sagte Michael.
    »Sie sind die Folge meiner Erregung, mein Lieber. Kurz, wir brachen auf, nahmen die Essvorräte mit und hofften auf ein herzhaftes Mahl nach Enthüllung des Geheimnisses!«
    »Das weiß ich ja alles, wozu sagst du es mir?«
    »Es ist die Einleitung, notwendige Vorbereitung und unerlässlicher Teil einer Rede, Mark der Beredsamkeit und Grundstruktur aller Redekunst! Also, mit unseren noch nicht genutzten Delikatessen beladen, begleiteten wir dich in diesem kraft eigenen Willens sich fortbewegenden Wagen, ich obendrein noch mit meinem in London erworbenen platzraubenden, jedoch für alle Fälle mitgenommenen Marinefernrohr bepackt, denn ich kannte ja nicht den Zweck der nächtlichen Expedition! Integer und bestürzt, aber auf dein Versprechen einer Erklärung zu gegebener Zeit bauend, ertrug ich es, nichts zu verstehen, insbesondere die Fahrt in diesem Wagen mit Benzinantrieb, der uns zuerst an jenen Bellevue genannten Ort brachte, wo sich, wie du uns erklärtest, denn du weißt ja, wage ich zu spotten, offenbar alles über die Umstände und die Ereignisse, die den Neffen Saltiels betreffen, wo sich, wiederhole ich, sein zusätzliches Schloss befindet. Dort reichtest du einem verschlafenen Lakaien einen von Seiner Exzellenz unterschriebenen Brief, ließest dir die Tür des Stalls öffnen, wo du unerbittlich stumm zwei herrliche Pferde satteltest, herrliche Tiere, aber ohne jeden Verstand, und vor unseren fassungslosen Blicken, immer noch schweigend und ohne jedes Mitgefühl für meinen Hunger nach Erklärungen, das eine am Zügel nahmst und auf das andere stiegst, o Heide, und dann dem Fahrer des Mietwagens befahlst, dir vorauszufahren und uns einschließlich deiner Wasserpfeife an diesen Ort zu bringen! Wohlan, mein Freund, jetzt sind wir da, und ich stoße ins Horn, um dich an deinen Schwur zu gemahnen! Also, erkläre dich endlich! Sag mir, was ich hier tue, in Unkenntnis deines Komplotts, nutzloser als ein bevollmächtigter Gesandter, überflüssiger als ein Botschafter! Hat der wahrhaftige Bericht meiner Qualen dich nicht erschüttert, erweicht und entwaffnet?«
    Er schloss die Augen, stieß den Seufzer des am Ziel angekommenen Läufers aus, streckte Salomon gebieterisch die Hand entgegen, verlangte ein Taschentuch von ihm, wischte sich den Schweiß aus dem gegabelten Bart, öffnete seinen Gehrock einen Spalt, um die Rinnsale im grauen Gestrüpp seiner Brust zu trocknen, und steckte das Taschentuch ein. Stolz auf seine Rede und die offenen Münder seiner Cousins, verschränkte er die Arme und wandte sich Michael mit gönnerhaftem Lächeln zu.
    »Nachdem ich somit in aller Nüchternheit meine Hauptargumente dargelegt habe, komme ich nach der Philippika nun zum Schluss, wobei ich einen anderen Ton anschlage und ins Zärtliche abgleite. Lieber und geliebter Michael, Bevorzugter meines Herzens, o Sohn einer noblen Rasse, erfülle mein zärtliches Gesuch und bewahre den

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