Die Schöne des Herrn (German Edition)
gefaltetes Stück Papier und küsste es hingebungsvoll, um das Rätsel noch geheimnisvoller zu machen und die Neugier seiner Cousins zu steigern. Dann ließ er es lässig in der Hand ruhen und begab sich mit dem tänzelnden Schritt des Verführers zur Villa der Deumes, breit und hochgewachsen, während Eisenbeißer dastand und ihn mit geballter Faust ausgiebig und virtuos verfluchte, ihm unter anderem wünschend, er möge hundert Jahre leben, aber blind und vergeblich seine Bastarde um Almosen anbettelnd.
LXXIV
»Nun, da der erste Teil meiner Mission vollbracht ist, bin ich bereit, das Geheimnis zu offenbaren«, sagte Michael, als er zu seinen Cousins zurückgekehrt war. »Aber zuerst, Eisenbeißer, wirst du uns zu trinken geben.«
»Bei meinem Augenlicht und noch in dieser Sekunde!«, rief Eisenbeißer. »Ich höre und gehorche, geliebter Freund!«
Er entkorkte augenblicklich eine Flasche des geharzten Weins und füllte die ihm entgegengestreckten Becher. Um Michaels Erzählung voll zu genießen, entledigte sich Salomon seiner beiden vor Erkältung schützenden Taschentücher und seines Mäntelchens. Um jedoch seinen Hals zu schützen, der, wie er behauptete, sehr empfindlich war, legte er einen jener schrecklichen weißen Krägen aus mongolischem Ziegenfell um, wie ihn Ende des neunzehnten Jahrhunderts die jungen Mädchen aus dem Bürgerstand trugen.
»Mein Hals ist in Sicherheit«, sagte er zu Michael. »Jetzt kannst du reden, o Tapferer!«
»Los, Michael, beriesele uns mit deinem Redeschwall, oder ich sterbe!«, rief Eisenbeißer. »Ich bin an der Grenze der Ungeduld angelangt und vergesse darüber die köstlichen Esswaren in diesen Körben! Erzähl, rasch, und dann werden wir essen, nach der Befriedigung unserer Neugierde!«
»Nein, lasst uns zuerst essen«, sagte Michael.
»Aber wirst du dein Versprechen halten?«
»Beim lebendigen Gott!«
»Oh, wie ich mich freue!«, rief Salomon. »Oh, wie zufrieden mein Herz ist! Beim Nachtisch werden wir das Geheimnis erfahren!«
»Nein, nach dem Nachtisch«, sagte Michael.
»Schön, also nach dem Nachtisch!«, rief Salomon. »O meine lieben Freunde, gleich nach dem Nachtisch werden wir uns die Seele erfreuen mit dem schönen Geheimnis! Ihr werdet sehen, wie es uns beruhigen wird!«, kreischte er und zappelte mit seinen Beinchen.
»Du siehst aus wie ein Baby in der Wiege«, sagte Michael.
Eisenbeißer, der in dieser Stunde der Erwartung die Liebenswürdigkeit selbst war, spielte den Oberkellner. Er zog den Gehrock aus, der seinen nackten Oberkörper bedeckte, breitete ihn als Tischtuch auf der Wiese aus und richtete die Speisen darauf an, deren Namen er jeweils, während er sie aus den beiden Körben holte, stolz und mit behaarter Brust verkündete.
»Vier Paar
boutargues
, von denen ich nach leoninischem Recht die Hälfte für mich beanspruche! Kein Widerspruch? Abgemacht! Zwölf große Calamares, gebacken und knusprig, aber etwas zäh zu beißen, was den Reiz erhöht! Acht davon für mich, denn sie sind meine größte Leidenschaft! Harte Eier nach Belieben, sie wurden einen ganzen Tag lang in Wasser unter Zusatz von Öl und gebratenen Zwiebeln gekocht, um deren Geschmack anzunehmen! Das versicherte mir der edle Delikatessenhändler und Glaubensgenosse, den Gott segnen möge, Amen! Tomaten, Pfefferschoten, dicke Oliven und rohe Zwiebeln als Amuse-Gueule! Duftende Käsekrapfen, die euch ebenfalls anflehen, verschlungen zu werden! Achtundzwanzig halbmondförmige Fleischpasteten mit Pinienkernen! Und dick! Gefüllter Gänsehals, der mit Liebe gegessen werden will! Garantiert koschere Rindswürste, wahre Schätzchen! Unschuldiges Zicklein, gebraten und mit der Hand zu essen, mit Pilafreis, den ich zu Kügelchen forme und mir sanft in den Schlund werfe! Sechs Flaschen Retsina, zwei davon für mich! Köstlich elastische Honigkrapfen, Lokum und Nougat mit Sesamkörnern zum Abschluss und für die Rülpser der Befriedigung! Und schließlich zum Zeitvertreib geröstete Kürbiskerne, gebackene Kichererbsen und gesalzene Pistazien, die zum Weintrinken anregen, und deren Knabbern das Erzählen des Geheimnisses köstlich begleiten wird! Los, meine Herren, zu Tisch! Auf zum Gelage!«
Im Kreis auf der Wiese neben dem Heuschober sitzend, schlugen sie sich den Bauch voll, dass es schon an Völlerei grenzte, kauten kräftig und lächelten einander zu. Als die Süßigkeiten verschlungen waren, kreuzte Michael die Beine zum Türkensitz, löste den Patronengürtel und zog die
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