Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
Vom Netzwerk:
und zum Gebet gefalteten Händen.
    Mein Gott, wie gern er sie vom Palais aus angerufen, ihr einfach nur guten Tag gesagt hatte, um ihre Stimme zu hören, um zu hören, was sie gerade tat. Und wenn Vauvau ihn wieder einmal angeraunzt hatte, schnell ein Anruf und sie bitten, ihn im Büro zu besuchen, und allein der Gedanke, dass sie bald da sein würde, hatte ihm neuen Mut gegeben. Der Teddybär saß mit gespreizten Beinen auf dem Schemel und blickte ihn friedlich an.
    »Zwei arme Trottel sind wir.«
    Grausam und böse. Doch was nützte es ihm, sie grausam und böse zu nennen? Davon kam sie auch nicht zurück. Das hinderte sie nicht daran, tja. Ein Schwächling und ein armes Würstchen, das war er und nichts weiter. Geschah ihm recht, das war die Strafe für den Schwächling. Ohne aufzustehen, zog er an der Kette, fröstelte, als das kalte Wasser seinen nackten Hintern bespritzte, fuhr sich wieder mit dem Kamm durch die Haare, kämmte sie in die Stirn und wieder nach hinten. Die Starken, die Diktatoren wühlten nicht in ihrem Haar, hockten nicht stundenlang auf der Toilette. Aber er wusste nichts anderes mit sich anzufangen.
    Er ließ den Kamm fallen und nahm das Magazin aus der Pistole. Sechs Kugeln. Die erste ganz oben, sie war deutlich zu sehen. So klein und doch, hm, was meinst du, Liebling? Er schob das Magazin wieder hinein, entsicherte, zog das bewegliche Teil und ließ es zurückschnellen. So, die erste Kugel war schussbereit. Der Draht in der Küche, so schön gespannt, so gerade, ein angenehmer Anblick. Das hatte er wirklich gut gemacht, und jedes Mal, wenn er in die Küche kam, freute er sich darüber. Aber jetzt musste er sich auch von ihm trennen. Ja, die erste Kugel wartete im Lauf. Gut geschlafen, Zuckerschnäuzchen? Nein, gut beigeschlafen, schon eher. Ach was, diese Frau war ihm scheißegal. Schließlich ging auch sie aufs Klo.
    Ja, die Lösung lag draußen, das wahre Leben, die anderen. Ausgehen, ja, in ein Nachtlokal, ins Donon, die schicke Bar. Erst ein Bad nehmen, dann den Smoking, dann das Taxi und das Donon. Der neue Smoking, den vom Abendessen im Ritz. Schnell das Bad. Er lächelte, um sich optimistisch zu stimmen. Er stand auf, zog die Hose hoch und stampfte mit dem Fuß auf, um zu spüren, dass er noch Lebensenergie hatte.
    »Jawohl, das Bad. Das Bad ist die Rettung.«
    Im Bad spürte er sein Unglück schlimmer als zuvor. Ganz allein in diesem Wasser, sich für nichts und für niemanden reinigen. Früher hatte er sich für sie gewaschen. Jetzt ganz allein im Wasser, während die beiden aneinandergeschmiegt schliefen. Vielleicht schliefen sie aber auch nicht, vielleicht, gerade in diesem Augenblick. Ja, dabei hatte sie ein so reines Gesicht gehabt, so kindlich, wenn sie sich für die Geschichte eines treuen Tiers begeistert hatte. Ob sie Vorsichtsmaßnahmen trafen? Doch am stärksten spürte er sein Unglück, als er nach dem Einseifen des Haars den Kopf für einige Sekunden unter Wasser tauchte, um es auszuspülen, und sich dabei die Ohren zuhielt, wie es seine Gewohnheit war. Mein Gott, wie allein er war in diesem Wasser, in dieser Stille. Er erstickte vor Kummer unter Wasser, ganz allein, von Wasser umgeben, die Augen geöffnet. Er streckte den Kopf hinaus, um Atem zu holen, und tauchte wieder unter, auf den Grund der Wanne, auf den Grund seines Kummers.

***

    Im Smoking, die paspelierten Hosen heruntergelassen und mit nacktem Hintern erneut auf dem Sitz aus imitiertem Mahagoni thronend, beugte er sich über das erste Foto, das er von ihr während der Verlobungszeit aufgenommen hatte. Kurz vor dem Knipsen hatte sie ihm gesagt, sie würde ihn anschauen und dabei denken, dass sie ihn liebte. Mit trockener Kehle und starrem Blick, zitterndem Bart und eiskalten Händen betrachtete er das schöne Gesicht, das ihm seine Liebe gesagt hatte, das es ihm jedes Mal sagen würde, wenn er es anschaute. Kanakis anrufen und ihn anflehen, zu ihm zu kommen? Das schickte sich nicht, es war zu spät, elf Uhr abends, wie würde das aussehen? Und außerdem würde Kanakis sich einen Dreck um seinen Kummer scheren. Nach einer Beerdigung geht man ja auch immer essen.
    »Das Donon, ja.«
    Aber nach Hause kommen und sie nicht vorfinden? Wem sollte er am Morgen »auf Wiedersehen« und am Abend »gute Nacht« sagen? Abends, wenn sie sich verabschiedet hatten, hatte er ihr von seinem Zimmer aus durch die Wand noch ein »gute Nacht« zugerufen, um noch bei ihr zu sein, selbst aus der Ferne hatte er ihr noch ein »gute

Weitere Kostenlose Bücher