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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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luxuriösen Speisezimmern gesehen, mit Tischen aus Edelholz und ganz ohne Tischdecke, nur mit einer kleinen Unterlage für jeden Teller, das war wirklich ganz große Klasse. Aber darüber können wir ja noch in aller Ruhe reden.«
    Als das Telefon läutete, zuckte er zusammen und rückte sein Kinn wieder in eine weniger gebieterische Positur. Er seufzte gequält, sagte, in diesem Laden habe man nie seine Ruhe, und nahm ab.
    »Deume. Ja, Herr Direktor, natürlich habe ich, ich bringe ihn Ihnen gleich. (Er erhob sich und knöpfte seine Jacke zu.) Das war Vauvau, dieser Knabe geht mir wirklich auf die Nerven, jetzt will er den wortwörtlichen Bericht der dritten C.P.M., ich bin doch schließlich nicht der Archivar der Abteilung, allmählich langt es mir. (Er knöpfte die Jacke auf und setzte sich mutig wieder hin. Vauvau ein paar Minuten warten zu lassen war nicht wirklich gefährlich, und Ariane konnte sehen, dass er kein Sklave war, der sofort antrabte, wenn man ihn rief. Er würde van Vries erklären, die Suche nach diesem alten wortwörtlichen Bericht habe viel Zeit in Anspruch genommen. Und überhaupt, hatte man ihm nicht auf die Schulter geklopft?) Also, hohe und mächtige Dame«, fuhr er fort, »was hältst du von diesem großen Diner bei Kerzenlicht zu Ehren unseres lieben Untergeneralsekretärs?«
    »Das werde ich dir sagen«, begann sie, entschlossen, ihm alles zu erzählen.
    »Einen Augenblick, Liebling, ich muss dich unterbrechen. Ich überlege gerade. (Vauvau wartete nicht gern, und sein Ton war ihm schroffer als sonst erschienen. Und außerdem machte es einen schlechten Eindruck, wenn er ihm sagte, er habe lange nach dem wortwörtlichen Bericht suchen müssen. Das sah nach unordentlichem Beamten aus, der nicht wusste, wo seine Dokumente lagen. Er erhob sich, öffnete einen Ordner, entnahm ihm ein Dokument und knöpfte sich die Jacke zu.) Hör zu, Liebling, ich sollte doch lieber gleich gehen. Obwohl ich sonst den guten Vauvau gern etwas schmoren lasse. Aber dieses Mal möchte ich in aller Ruhe mit dir reden, und da will ich diese Sache lieber gleich erledigen. Ich gehe also und bin sofort zurück. Diese Nervensäge! Also bis gleich, nicht wahr?«, sagte er lächelnd und ging langsam auf die Tür zu, um seine Kapitulation zu tarnen.
    Sobald er auf dem Flur war, eilte er dem gefürchteten Anraunzer entgegen. Der Ton von van Vries verhieß nichts Gutes. Vor der Tür setzte er ein Lächeln auf, klopfte leise und öffnete behutsam die Tür.

VI

    Entspannt vor sich hin pfeifend, kam er herein. Er setzte sich, trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, schloss die drei Ordner und lächelte ihr zu.
    »Was ist los mit dir?«
    »Nichts«, erwiderte er mit Unschuldsmiene. »Im Gegenteil, alles ist bestens. Meine Leber tut mir ein bisschen weh, das ist alles«, sagte er nach kurzem Schweigen, stand auf, legte die Hand auf die rechte Seite und lächelte wieder.
    »Du weißt sehr gut, dass du es mir letzten Endes doch sagen wirst. Ist es dein Chef?«
    Er ließ sich auf seinen Sessel sinken und blickte sie wie ein Schiffbrüchiger an.
    »Er hat mich angeraunzt. Wegen des britischen Memorandums. Weil ich ihm meinen Kommentar noch nicht geschickt habe. Was glaubt er eigentlich? Wie soll man arbeiten, wenn man ständig gestört wird? (Er hielt inne und hoffte auf Fragen. Da sie schwieg, fuhr er fort.) Also, er wird meine Verspätungen in meinem Jahresbericht erwähnen, na ja, was er meine Verspätungen nennt. Dann ist es aus mit der jährlichen Gehaltserhöhung, und es kommt vielleicht zu einem Verweis oder gar zu einem Tadel seitens des Generalsekretärs. Tja, so sieht es aus. (Seine Finger spielten Tonleitern stoischer Verzweiflung auf der Tischplatte.) Natürlich wird mir das alle Beförderungschancen kaputtmachen, es wird mir wie ein Strafregister nachhängen. Dieser Bericht wird mich mein Leben lang verfolgen. Mein Nessoshemd sozusagen. Und dabei tue ich, was ich kann, ich habe ihm gesagt, ich würde ihm gleich morgen früh meinen Kommentar schicken. Aber er sagte, es sei zu spät, und dann hat er auch noch die Kamerun-Akte erwähnt. Schneidend ist er gewesen, schneidend. Tja, eine echte Katastrophe. (Erneutes Fingergetrommel, tragische Schicksalsergebenheit.) Ich wollte dir nichts sagen und den Kummer für mich behalten. (Schweigend und traurig drehte er die Kurbel des Bleistiftanspitzers.) Oh, es ist ein Racheakt, ich bin sicher, dass er mir eins auswischen will, weil er mich mit dem U.G.S. hat sprechen sehen.

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