Die Schöne des Herrn (German Edition)
sich selbst, setzte sich und sann über sein Glück nach.
»Offizielle Ernennung, Menschenskind, öffentlich angeschlagen, Donnerwetter, jetzt kann nichts mehr passieren, ich hab’s geschafft! Und jetzt kann ich’s dir ja sagen, mein Alter, ich habe einen Heidenschiss gehabt, solange meine Beförderung nicht angeschlagen war! Schließlich kann man nie wissen, Intrigen noch in letzter Sekunde! Aber jetzt, mein Alter, hängt es aus und ist so sicher wie das Amen in der Kirche! Nichts zu machen, mein lieber Vauvau, diese Pille musst du schlucken. Und außerdem, mein Lieber, kommt der U.G.S. am ersten Juni zu mir zum Abendessen! In drei Tagen, hörst du, Vauvau? Kommt er vielleicht zu dir zum Diner? Das bezweifle ich sehr! Noch ein wenig Kaffee, mein lieber Untergeneralsekretär? Nein, das geht nicht, zu familiär, es ist schließlich das erste Mal. Noch ein wenig Kaffee, cher Monsieur? Nein, das geht auch nicht. Noch ein wenig Kaffee? Ja, mit einem ungezwungenen Lächeln, von Mensch zu Mensch. Zu dumm nur, dass Mammi und Papi am Diner teilnehmen werden. Verdammt, es war nicht gerade eine Glanzidee gewesen, vorzeitig aus Brüssel zurückzukommen! Sie werden ins Fettnäpfchen treten, Papi ganz bestimmt. Na ja, was soll’s, das wird dem U.G.S. zeigen, dass ich ein Selfmademan bin. Immerhin ist ja Ariane da, die wird alles wieder wettmachen. Und jetzt an die Arbeit!«
Mit schwacher Hand zog er das britische Memorandum zu sich und schob es wieder fort. Nein, heute früh konnte er sich nicht an diese große Arbeit machen, dazu muss man in der richtigen Verfassung sein. Nichts zu machen, höhere Gewalt. Außerdem war es fast zwanzig vor elf. Viel zu spät, um mit einer Arbeit dieses Ausmaßes zu beginnen. Er würde es heute Nachmittag nachholen. Doch von nun an, mein Alter, morgens pünktlich da sein, nie später als Viertel nach neun. Schön, genehmigt. Aber sollte aus zwingenden Gründen doch mal ausnahmsweise eine Verspätung vorkommen, Hut, Stock und Aktenkoffer im Wagen lassen. Schnell durch die Tür geschlüpft und dann wieder ganz der untadelige Beamte. Ebenfalls genehmigt. Und jetzt ein kleiner Spaziergang über die Flure, vielleicht fällt einem dabei ja eine leichte Arbeit ein, eine Bagatelle, die der jetzigen Stimmung entspricht. Übrigens musste er auf die Toilette. Dort würde er dann schon sehen. Er ging hinaus, setzte eine melancholische Miene auf, denn es schmerzte ihn ehrlich, nicht zu arbeiten, und er quälte sich bei dem Gedanken an das britische Memorandum, das ihn unerbittlich und gewaltig auf seinem Schreibtisch erwartete.
Auf der wie immer stark frequentierten Toilette stand er zufällig neben Johnson, dem Leiter der Wirtschaftsabteilung, der ihn mit einem herzlichen »Guten Tag« begrüßte. Eine freundliche Gleichheit herrschte an diesem Ort der Entspannung, wo die hohen Tiere, vor dem ewig rieselnden Wasser stehend, ihren Untergebenen, die hier zu ihresgleichen und einfachen Kollegen wurden, freundschaftlich zulächelten. In dieser Versammlung von feierlich im Halbkreis Stehenden, die in stiller Andacht vor ihren Pissoirbecken zelebrierten und miteinander kommunizierten, bisweilen unwillkürlich durchdrungen von einem Schauder der Erleichterung, herrschte eine Atmosphäre der Verbundenheit und Einmütigkeit, des Gleichklangs der Seelen, eine Atmosphäre von Männerkloster und geheimer Bruderschaft. Kurz, Adrien verließ den Ort in gehobener Stimmung und entschlossen, ganze Arbeit zu leisten.
»Und jetzt die Empfangsbestätigung der Akte Kamerun!«, verkündete er, sobald er wieder in seinem Büro war. An seinem Schreibtisch sitzend, deklamierte er, die Arbeit sei das heilige Gesetz der Erde, und öffnete energisch die Akte. Die Hände an die Ohren gepresst, konzentrierte er sich. Wie sollte er beginnen? »Ich beehre mich, Ihnen den Empfang Ihres und so weiter zu bestätigen«, oder »Ich danke Ihnen vielmals für Ihr geschätztes« und so weiter? Er schloss die Augen, um den richtigen Ton zu finden. Aber da klopfte es zweimal an die Tür, und Le Gandec trat ein mit seinen freudlosen Augen und seiner Künstlerschleife. Bemüht zu gefallen und den Spaßvogel mimend, grüßte er militärisch.
»Elf Uhr, Herr General, die feierliche Stunde«, verkündete er und verzog beim letzten Wort den Mund, um besonders schelmisch und amüsant zu wirken. »Wollen wir einen Kaffee trinken gehen?«
»Ausgezeichnete Idee«, sagte Adrien, klappte die Akte zu und erhob sich. »Sammeln wir neue Kräfte durch die
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