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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Karte abgeben und mich zu einem höflichen Gespräch von Rektor zu Rektor einladen will, einem Gespräch bei jenem Schweizer Gericht aus Käse, Knoblauch, Weißwein, Muskatnuss und einem Schuss Kirsch im letzten Augenblick, das man Fondue nennt. Alles hängt von seiner Erziehung ab. Leben Sie wohl, meine Herren.«

XIII

    Der Portier des Hotel Ritz betrachtete argwöhnisch die taubenhalsfarbenen Strümpfe des kleinen Alten, der vor ihm stand mit seinem Ohrring, einer Bibermütze in der Hand und einem Regenmantel über dem Arm, während die drei kleinen Hotelboys brav auf einer Bank saßen, die Füße baumeln ließen und leise, fast ohne die Lippen zu bewegen, ihre Kommentare austauschten.
    »Sind Sie verabredet?«
    »Mit dem Hintern deiner Schwester bin ich verabredet!«, erwiderte seelenruhig die seltsame Gestalt und setzte sich die Mütze wieder auf. »Merke dir, o Janitschar, merke dir, o brauner Gehrock mit nutzlosem Gold darauf, merke dir, dass ich der Onkel bin, und damit basta, und du hast nicht zu wissen, ob ich verabredet bin oder nicht, obwohl ich es bin, und zwar mittels des Telefonapparates der Dame mit der raffinierten Stimme, für den heutigen Tag, den ersten Juni um neun Uhr, aber ich dachte mir, acht Uhr wäre besser, damit wir gemeinsam den Morgenkaffee einnehmen können.«
    »Sie sind also für neun Uhr verabredet?«
    Trunken vor Glück und dreist, weil er seinen Neffen in der Nähe wusste, hörte Saltiel ihm nicht einmal zu.
    »Ich bin der Onkel«, fuhr er fort, »und wenn du willst, dass ich dir meinen echten und nicht gefälschten Pass zeige, wirst du feststellen, dass mein Name Solal ist, wie der seinige! Sein Onkel, der leibliche Bruder seiner leiblichen Mutter, die ebenfalls eine Solal war, aber von der jüngeren Linie, die in Wirklichkeit die ältere Linie ist! Aber lassen wir das. Und wenn ich Onkel sage, sollte ich eigentlich Vater sagen, denn er hat mich immer seinem natürlichen Erzeuger vorgezogen! So ist das Leben, mein Freund, und die Neigungen des Herzens lassen sich nicht befehlen! Der eine ist geschaffen, um geliebt zu werden, der andere, um weniger geliebt zu werden! Der eine ist dank seines klugen Gehirns Chef des Völkerbundes, der andere Hotelportier, Sklave jedes Ankömmlings und Almosenempfänger jedes Abreisenden! Möge Gott ihn in seiner niedrigen Lage trösten! Kurzum, ich komme vor der Verabredung um neun Uhr, weil es mir gefällt, den Morgenkaffee in seiner Gesellschaft einzunehmen, denn ich habe ihn am Tage seines Eintritts in den Bund, an seinem achten Tage, auf den Knien gehalten, und weil es mir auch gefällt, mit ihm über verschiedene erhabene Themen zu sprechen und dabei seinen Luxus zu genießen, wenn auch nicht ohne Bitterkeit, denn bestimmt muss er zu teuer für dieses Hotel bezahlen, in welchem, wie ich sehe, das elektrische Licht noch um acht Uhr morgens brennt, was die allgemeinen Unkosten erhöht! Und wer bezahlt sie? Er! Und wer an seine Brieftasche greift, bestiehlt mich persönlich! Würde es dir vielleicht den Bauch durchlöchern, wenn du endlich die Elektrizität ausschaltetest, wo doch draußen eine wahrhaft pharaonische Sonne strahlt?«
    »Wen soll ich melden?«, fragte der Portier, der sich entschlossen hatte, diesen Wahnsinnigen nicht sofort hinauszuwerfen, denn vielleicht stimmte es ja, dass er ein Verwandter war, bei diesen Ausländern konnte man nie wissen.
    »Da du deine Einkünfte und die beiden goldenen Schlüssel auf deinem Kragen rechtfertigen musst, melde Saltiel von den Solal, seinen einzigen Onkel, soeben lebend einer fliegenden Maschine entstiegen, gemietet in London, wo ich weilte, um die britischen Sitten und Gebräuche zu studieren, nach vielen anderen Reisen, sei es mit Lokomotivkraft, sei es auf Wolkenwegen, sei es über die Meere, stets bedacht, meine Kenntnisse zu erweitern und das menschliche Herz zu erforschen. Aber jetzt bin ich hier an diesem Ort, bestellt von meinem Neffen und Sohn der Seele! Ich habe gesprochen, jetzt tue deine Dienerpflicht!«
    Der Portier nahm seinen Telefonhörer, meldete den Besuch, nahm die Antwort entgegen, legte wieder auf, lächelte liebenswürdig und bat den Besucher, sich doch bitte gleich hinaufzubemühen. Da verschränkte Saltiel die Arme wie ein Admiral.
    »Stell dich gut mit dem König«, verkündete er, »und die arrogante Giftschlange wird wie ein Kanarienvogel flöten! So bin ich, mein Freund, freundlich zu den Freundlichen, aber brüllend mit den Brüllenden und Löwe unter den Hyänen!

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