Die schöne Diebin
auf, dass sie gegen die mit Mahagoniholz vertäfelte Wand krachte.
Brandon hob den Blick von den Papieren, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen, und sah zu seinem Erstaunen, dass niemand anders als Jack der frühe Eindringling war.
„Was hast du getan? Kaum weiche ich dir ein paar Stunden von der Seite, schon verlobst du dich! Bei Jupiter, im Ort gibt es heute kein anderes Thema! Wie konntest du dich nur zu einer solchen Dummheit hinreißen lassen?“
Brandon lehnte sich in seinem geschnitzten Stuhl zurück, faltete die Hände hinter dem Kopf und betrachtete seinen Freund nachdenklich. Schließlich sagte er ganz ruhig: „Ich glaube, so früh am Tag habe ich dich noch nie gesehen, Jack. Setz dich erst einmal. Bist du etwa die ganze Nacht auf gewesen? Himmel, du machst einen erschöpften Eindruck. Ich werde Tee für dich kommen lassen.“ Er erhob sich, trat zur Klingelschnur und läutete nach dem Butler.
Jack ließ sich auf einen Stuhl fallen und meinte in anklagendem Ton: „Du trägst die Schuld daran, dass ich nicht zum Schlafen gekommen bin. Gerade als ich das Wirtshaus verlassen wollte, erreichte uns die Nachricht von dem unglaublichen Skandal, den du heraufbeschworen hast. Erst hieß es, The Cat habe dich am Cheetham Hill als Geisel genommen. Dann erfuhren wir, dass du wieder frei seist. Und schließlich kam Witherspoon mit seinen Freunden noch auf ein Ale in den Schankraum. Die Männer konnten sich gar nicht ausführlich genug darüber auslassen, wie hübsch deine Verlobte ist und wie reizvoll. Sie erwähnten auch, dass die junge Dame außer sich vor Sorge war, als sie deine Verletzung bemerkte. Ich habe mich natürlich gefragt, um welche Wunde es sich wohl handeln könnte.“
„Eine, die ich mir selbst zugefügt habe, als ich der Katze entfloh.“ Brandon hob die ordentlich bandagierte Hand.
„Natürlich …“ Jack seufzte. „Ich habe nicht sehr lange gebraucht, um hinter all den seltsamen Informationen und Gerüchten die Wahrheit zu entdecken: Deine Verlobte ist niemand anders als die Katze. Ihr zwei habt alle an der Nase herumgeführt. Aber es ist ein gefährliches Spiel. Verflixt, Brandon, ich weiß, dass Politik oft im Bett gemacht wird. Aber das geht wirklich zu weit!“
Vermutlich hätte Jack seine Strafpredigt fortgesetzt. Doch in diesem Moment erschien der Butler mit dem Frühstückstablett, Tee und Toast für den Gast des Earls.
Brandon versuchte, sich über sein weiteres Vorgehen klar zu werden. Er hatte Nora vor einiger Zeit friedlich schlafend in seinem Bett zurückgelassen. Aber es gab noch einiges mit ihr zu besprechen, ehe die ersten Besucher eintrafen, um die Braut zu begutachten und dem Paar zur Verlobung zu gratulieren. Zweifellos wären dann eine Menge Fragen zu beantworten. Die angeblich Verlobten würden ihre Rolle überzeugend spielen müssen, wenn nicht alles schiefgehen sollte.
Als Erstes, so hatte Brandon beschlossen, musste Nora wie eine zukünftige Countess eingekleidet werden. Er hatte deshalb bereits eine Nachricht an die beste Schneiderin von Manchester geschickt.
„Was hast du mit ihr vor, nun, da du sie erobert hast?“, erkundigte Jack sich, kaum dass der Butler den Raum verlassen hatte.
„Im Moment müssen wir wohl so tun, als beabsichtigte ich wirklich, sie zu heiraten. Alles andere wäre gefährlich, nicht wahr? Später, wenn die Aufregung sich gelegt hat, wird sich schon ein Ausweg aus dem Dilemma finden.“
Sein Freund hob die Augenbrauen.
„Hast du eine bessere Idee?“ Brandon war plötzlich gereizt. „Wie sonst könnte ich erreichen, was ich will?“
„Was willst du denn erreichen? Ich fürchte, ich habe es noch nicht wirklich begriffen.“
„Ich will Nora in Sicherheit wissen. Wenn sie ihr Leben als The Cat alias Miss Habersham wieder aufnimmt, wird sie früher oder später etwas tun, wodurch sie sich erneut in Gefahr bringt. Himmel, ihr Auftritt bei St. John war geradezu selbstmörderisch!“
„Ja, die Vorstellung, du könntest nicht da sein, um sie zu retten, ist wirklich unerträglich!“, spottete Jack. „Aber wie willst du sie auf Dauer beschützen? Sie ist viel zu eigensinnig und wild. Eine Katze eben! Erst schnurren, dann kratzen, dann verschwinden …“
„Unsinn! Sei doch nicht immer so zynisch. Es ist kein Charakterfehler, gelegentlich an etwas zu glauben, das einem wichtig ist.“
„Ich betrachte es als meine Aufgabe als Freund, dich vor weiteren Dummheiten zu bewahren. Deshalb hast du mich hergebeten, nicht wahr? Nun, du
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