Die schöne Diebin
gefesselt habe, war die Strafe für dein Benehmen gegenüber Miss Habersham. Du hättest die Ärmste auf Squire Bradleys Weihnachtsball eben nicht so quälen sollen.“ Sie legte ihm die Hand an die Wange. „Wir haben die Regeln des Spiels schon wieder nicht beachtet. Es ist tatsächlich härter, als ich dachte.“
Brandon fragte nicht, was sie mit „es“ gemeint hatte.
Jetzt legte sie ihm die Arme um den Nacken und flüsterte: „Ich bin wieder an der Reihe, eine Frage zu stellen. Und diesmal wählst du Pflicht.“
„So? Tue ich das?“ Er runzelte die Stirn. „Ach ja, fast hätte ich vergessen, dass Männer wie ich manchmal darauf brennen zu gehorchen.“
„Es gibt keine anderen Männer wie dich“, murmelte Nora dicht an seinem Ohr. „Trägst du mich nach oben?“
„Hm … Dein Wunsch ist mir Befehl, insbesondere, wenn wir uns auf mein Bett als Ziel einigen können.“
„Aber ja.“ Ein angenehmer Schauer lief ihr den Rücken hinunter.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als jemand laut an die Schlafzimmertür klopfte. Trotzdem hätte Brandon am liebsten so getan, als höre er nichts. Nora lag dicht an ihn geschmiegt und atmete tief und gleichmäßig. Ihr Haar breitete sich wie eine schwarze Flut auf den weißen Kissen aus. Ihr Körper war warm und unglaublich weiblich. Verführerisch …
„Mylord?“
Das war Harpers Stimme. Brandon wusste, dass sein Kammerdiener so bald nicht aufgeben würde. Also erhob er sich, schlüpfte in den Morgenrock und rief: „Herein!“
„Entschuldigen Sie die Störung, Euer Lordschaft.“ Harper hatte bereits begonnen, die im Zimmer verstreuten Kleidungsstücke aufzuheben, auszuschütteln und ordentlich über einen Stuhl zu legen. „Ich bringe schlechte Nachrichten.“
Jetzt war Brandon hellwach.
„Bei einem Ihrer Pächter hat es letzte Nacht gebrannt. Das Dach des Cottages soll völlig zerstört sein. Sie werden sich den Schaden wohl anschauen müssen.“
„Natürlich.“ Er verspürte nicht die geringste Lust, seine leidenschaftliche Geliebte zu verlassen. Aber er war ein pflichtbewusster Mann. Also schrieb er schnell ein paar Zeilen für Nora, ließ sich von Harper beim Ankleiden helfen und eilte nach unten. Während er rasch eine Tasse Tee trank und Rührei mit Toast aß, wurde im Stall bereits sein Pferd gesattelt.
Sobald Brandon die Tür hinter sich geschlossen hatte, schlug Nora die Augen auf. Sie hatte nur so getan, als ob sie schliefe. Die Versuchung, den Geliebten zurück ins Bett zu locken, war groß gewesen. Aber es gab Wichtiges zu erledigen. Sie hatte noch immer keine Lösung für Mary Malones Probleme gefunden. Doch zumindest wollte sie der Witwe einen Besuch abstatten.
Brandon hätte sie bestimmt nicht gehen lassen. Deshalb musste sie sich heimlich auf den Weg machen. Jetzt bot sich die Chance dazu. Wahrscheinlich würde er bis mittags beschäftigt sein. Es blieb ihr also Zeit genug, sich in Old Grange als Eleanor Habersham zu verkleiden, ein paar Wertsachen einzupacken und nach Manchester zu fahren. Wenn sie sich beeilte, würde sie vielleicht sogar noch vor Brandon wieder in Stockport Hall sein.
Sie fühlte sich nicht wohl dabei, ihn zu hintergehen. Vermutlich würde er ihr, wenn sie ihn darum bat, das Geld geben, das sie für Mary brauchte. Aber dies war ihr Kampf, und sie wollte ihn aus eigener Kraft bestehen. Also schlüpfte sie aus dem Bett und begann, sich in aller Eile anzukleiden.
Immer wieder waren Brandons Gedanken von den Problemen, die es zu lösen galt, zu Nora gewandert und zu all den wunderbaren Dingen, die er mit ihr tun wollte. Als er nun endlich die Eingangshalle seines Hauses betrat, warf er die Handschuhe auf den kleinen Tisch nahe der Tür und wollte sich sogleich auf die Suche nach seiner „Verlobten“ machen.
In diesem Moment erschien der Butler. „Euer Lordschaft, Mrs. Bradley wartet schon seit einiger Zeit im Salon auf Sie.“ Seine Miene zeigte deutlich, was er von Leuten hielt, die es wagten, Höhergestellte mit unangemeldeten Besuchen zu belästigen.
„Mrs. Bradley?“, fragte der Earl verwundert. „Sie ist doch bestimmt gekommen, um Miss Hammersmith ihre Aufwartung zu machen.“
Cedrickson räusperte sich. „Miss Hammersmith ist nicht zu Hause. Sie hat Ihnen eine Nachricht hinterlassen.“ Er hielt ihm einen sorgfältig gefalteten Zettel hin.
Brandon las mit gerunzelter Stirn. Nora hatte geschrieben, dass sie im Dorf einiges erledigen und vielleicht auch Mrs. Bradley einen Besuch abstatten wolle.
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