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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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unter Anwendung von Gewalt ebenfalls dazu bringen, Alexandra mit dem kleinen Inspektor allein zu lassen.
    Vandoosler ging mit seinem Neffen im Garten auf und ab.
    »Wenn sie nicht aufgetaucht wäre, hätte ich die Sache sein lassen, glaube ich. Was hältst du von dem Mädchen?« fragte Vandoosler.
    »Red leiser«, sagte Marc. »Der kleine Cyrille spielt im Garten. Sie ist nicht blöd und traumhaft schön. Das hast du sicher bemerkt, vermute ich.«
    »Natürlich«, erwiderte Vandoosler gereizt. »Das sieht ein Blinder. Und weiter?«
    »Es ist schwierig, das in so kurzer Zeit genauer zu beurteilen.«
    »Du hast immer gesagt, daß dir fünf Minuten ausreichen, um klar zu sehen.«
    »Nun, das stimmt nicht ganz. Wenn Leute mit traurigen Angelegenheiten beschäftigt sind, ist es schwerer, sie klar zu beurteilen. Und wenn du meine Meinung wissen willst, bei ihr ist ganz ordentlich was zusammengebrochen. Das trübt die Sicht, wie bei einem Wasserfall, einer großen Kaskade aus Wasser und Enttäuschungen. Die Geschichte mit dem Wasserfall kenn ich gut.«
    »Hast du sie danach gefragt?«
    »Ich hab dir doch gesagt, du sollst leiser reden. Nein, ich habe sie nicht gefragt. So etwas macht man nicht, stell dir vor. Ich vermute, schätze ab, vergleiche. Das ist keine große Hexerei.«
    »Glaubst du, sie ist rausgeworfen worden?«
    »Bei dem Thema solltest du besser die Klappe halten«, erwiderte Marc.
    Der Pate preßte die Lippen zusammen und kickte einen Stein vor sich her.
    »Das war mein Stein«, sagte Marc schroff. »Ich habe ihn mir letzten Donnerstag da zurechtgelegt. Du könntest fragen, bevor du ihn dir nimmst.«
    Vandoosler kickte den Stein ein Weilchen vor sich her. Dann verschwand der Stein im hohen Gras.
    »Sehr geschickt«, sagte Marc. »So einen findet man nicht so schnell noch mal.«
    »Weiter«, sagte Vandoosler.
    »Der Wasserfall also. Nimm noch das Verschwinden der Tante hinzu, und du hast schon ’ne ganze Menge. Ich habe den Eindruck, das Mädchen ist aufrichtig. Sanft, echt, zerbrechlich, ganz viele empfindliche Ecken, die man nicht kaputtmachen darf, so wie ihr Nacken. Aber trotzdem jähzornig und leicht verletzbar. Wegen jeder Kleinigkeit schiebt sie ihren Unterkiefer vor. Nein, das stimmt nicht ganz. Sagen wir, differenzierte Gedanken, verbunden mit einem eigensinnigen Temperament. Oder das Gegenteil, eigensinnige Gedanken, verbunden mit einem differenzierten Temperament. Scheiße, ich habe keine Ahnung, ist auch völlig egal. Aber in der Sache mit ihrer Tante geht sie bis ans bittere Ende, da kannst du Gift drauf nehmen. Davon abgesehen – sagt sie wirklich die Wahrheit? Auch das weiß ich nicht. Was macht Leguennec? Ich meine, was macht ihr beide jetzt?«
    »Mit der Diskretion aufhören. Wie du ganz richtig sagst, wird das Mädchen auf jeden Fall Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Also können wir auch gleich richtig loslegen und die Ermittlung unter egal welchem Vorwand aufnehmen. Das ist alles so undurchsichtig und wird uns sonst aus den Händen gleiten. Wir müssen als erste schießen, denke ich. Aber es ist unmöglich, die Geschichte mit der Verabredung und dem Stern in Lyon zu überprüfen, der Ehemann erinnert sich nicht mehr an den Namen des Hotels, der auf der Karte stand. Er weiß nicht mal, wo die Karte abgeschickt wurde. Ein Gedächtnis wie ein Sieb. Oder er macht uns was vor, und die Karte hat nie existiert. Leguennec hat alle Hotels in Lyon anrufen lassen. Bei keinem war jemand unter dem Namen gemeldet.«
    »Denkst du dasselbe wie Mathias? Daß Sophia umgebracht worden ist?«
    »Langsam, langsam, mein Junge. Der heilige Matthäus geht ein bißchen schnell vor.«
    »Mathias kann schnell sein, wenn es nötig ist. So sind die Jäger und Sammler manchmal. Aber warum ein Mord? Warum nicht ein Unfall?«
    »Ein Unfall? Nein. Dann wäre die Leiche schon lange gefunden worden.«
    »Dann wäre es also möglich? Mord?«
    »Leguennec glaubt, ja. Sophia Simeonidis war in der Tat sehr reich. Ihr Mann dagegen ist abhängig von politischen Veränderungen, er kann sehr schnell auf eine niedrigere Stelle versetzt werden. Aber es gibt keine Leiche, Marc. Keine Leiche, kein Mord.«
    Als Leguennec aus dem Haus kam, tuschelte er erneut mit Vandoosler, nickte dann und ging, klein und sehr energisch.
    »Was wird er tun?« fragte Marc.
    »Die Ermittlungen aufnehmen. Mit mir Karten spielen. Pierre Relivaux bearbeiten. Und glaub mir, von Leguennec bearbeitet zu werden ist wirklich nicht lustig. Seine Geduld kennt

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