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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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dermaßen verwerflich, daß Leguennec in einer Stunde hier ist und ihn vorläufig festnimmt, wenn ich ihn anrufe. Also erzähl, Juliette. Du weißt, daß es besser ist. Das hilft vielleicht, voreilige Schlüsse zu vermeiden.«
    Juliette wischte sich über die Augen, atmete tief durch und schwieg. Mathias näherte sich ihr wie neulich im Tonneau bei der Geschichte mit Alexandra, legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte ihr etwas ins Ohr. Und wie neulich entschied sich Juliette zu reden. Marc schwor sich, Mathias eines Tages zu fragen, welches Sesam-öffne-dich er benutzte. Das konnte in allen Bereichen nützlich sein.
    »Es ist nichts Schlechtes dabei«, wiederholte Juliette.
    »Als ich nach Paris gekommen bin, ist Georges mir gefolgt. Er ist mir immer gefolgt. Ich habe angefangen, putzen zu gehen, er hat nichts angefangen. Er wollte zum Theater. Vielleicht finden Sie das lächerlich, aber er war ein ziemlich hübscher Junge und war in der Theatergruppe seiner Schule erfolgreich gewesen.«
    »Und mit Mädchen?« fragte Vandoosler.
    »Weniger«, sagte Juliette. »Er hat sich überall ein bißchen umgehört und Statistenrollen und auch mal eine kleine Nebenrolle gefunden. Er sagte, man müsse eben klein anfangen. Geld für eine Schauspielschule hatten wir jedenfalls nicht. Wenn man einmal in dem Milieu drin ist, weiß man recht schnell, wie der Hase läuft. Georges hat sich gar nicht schlecht angestellt. Er ist ein paarmal in Opern genommen worden, in denen Sophia die Hauptrolle sang.«
    »Kannte er Julien Moreaux, den Stiefsohn von Simeonidis?«
    »Ja, zwangsläufig. Er suchte sogar den Kontakt zu ihm, weil er hoffte, das würde ihn weiterbringen. 1978 hatte Georges seine letzte Rolle. Vier Jahre hat er das gemacht, und es ist schließlich nichts dabei herausgekommen. Er war entmutigt. Durch einen Freund in einer der Truppen, ich weiß nicht mehr in welcher, hat er dann eine Stelle als Bote in einem Verlag gefunden. Da ist er geblieben und später Vertreter geworden. Das ist alles.«
    »Das ist nicht alles«, sagte Vandoosler. »Warum ist er in die Rue Chasle gezogen? Sag mir nicht, das sei ein wunderbarer Zufall, das werde ich dir nicht glauben.«
    »Wenn Sie denken, daß Georges irgendwas mit dem Überfall auf Sophia zu tun hat, dann täuschen Sie sich gründlich«, rief Juliette erregt. »Die Sache hatte ihn angewidert, aufgewühlt, daran erinnere ich mich noch sehr gut. Georges ist ein sanftmütiger, ängstlicher Mensch. Im Dorf früher habe ich ihn immer drängen müssen, damit er mit den Mädchen redet.«
    »Aufgewühlt? Wieso aufgewühlt?«
    Juliette seufzte, sie überwand sich nur zögernd.
    »Sag es mir, bevor Leguennec es aus dir herauspreßt«, sagte Vandoosler leise. »Den Bullen können wir dann einzelne Stücke vorsetzen. Aber sag mir alles, danach suchen wir aus.«
    Juliette warf Mathias einen Blick zu.
    »O. k.«, sagte sie. »Georges war verrückt nach Sophia. Er hat nie davon gesprochen, aber ich bin nicht so blöd, daß ich es nicht gemerkt hätte. Das war klar wie Kloßbrühe. Er hätte jede besser bezahlte Nebenrolle abgelehnt, nur um Sophias Saison nicht zu verpassen. Er war verrückt nach ihr, wirklich verrückt. Eines Abends habe ich ihn soweit gekriegt, daß er es mir erzählt hat.«
    »Und Sophia?« fragte Marc.
    »Sophia? Sie war verheiratet, glücklich und meilenweit davon entfernt, auch nur zu ahnen, daß Georges ihr zu Füßen lag. Und selbst wenn sie es gewußt hätte, glaube ich nicht, daß sie Georges hätte lieben können, so schwerfällig, bärbeißig und gehemmt, wie er war. Er hatte nicht viel Erfolg, oh, nein. Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, aber keine Frau hat bemerkt, daß er eigentlich ziemlich hübsch war. Er lief immer mit gesenktem Kopf herum. Jedenfalls war Sophia in Pierre verliebt, und das war sie noch kurz vor ihrem Tod, was auch immer sie gesagt haben mag.«
    »Was hat er getan?« fragte Vandoosler.
    »Georges? Überhaupt nichts«, antwortete Juliette. »Was hätte er tun sollen? Er hat schweigend gelitten, wie man so sagt, das ist alles.«
    »Und das Haus?«
    Juliette verzog ihr Gesicht.
    »Als er mit den Statistenrollen aufgehört hat, habe ich mir gedacht, daß er diese Sängerin jetzt vergessen und andere Frauen kennenlernen würde. Ich war erleichtert. Aber ich hatte mich getäuscht. Er kaufte ihre Platten, er ging in die Oper, um sie bei ihren Auftritten zu sehen, selbst in der Provinz. Ich kann nicht gerade behaupten, daß mich das gefreut

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