Die schoene Helena
mit dem ich mich gern unterhalte. Aber er will mir einfach nichts verraten ... von den besten Jagdgebieten abgesehen.“
„Und wer ist das?“, fragte sie und warf ihm einen kurzen Blick zu.
„Kepper.“
„Ein tüchtiger Mann, meinem Vater treu ergeben.“
Eine Zeit lang schwieg Adam und machte sich Vorwürfe wegen seiner unbedachten Sticheleien. War die geplatzte Verlobung die Ursache ihres zurückgezogenen Lebens? Ein verständlicher Grund ... Hielt sich Helena von der Gesellschaft fern, um ihrer verlorenen Liebe nachzutrauern?
Dieser Gedanke bekümmerte ihn. Doch er fühlte sich bedrückt, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Daran müsste er sich inzwischen gewöhnt haben.
Trotzdem war er neugierig. Und vielleicht ein bisschen eifersüchtig. „Nun möchte ich Sie gern etwas fragen, Helena. Aber Sie werden sicher nicht antworten. Ich hätte viele Fragen. Warum gibt es in Ihrem großen Haushalt so wenige Dienstboten? Warum empfangen Sie niemanden? Keine einzige dieser Fragen habe ich Ihnen gestellt. Und ich will Sie auch jetzt nicht bedrängen - ich erwähne nur, dass mir das alles seltsam erscheint.“
Was er hören wollte, wusste er nicht. Er verstand nicht einmal, warum er so freimütig gesprochen hatte - als würde sie sich bereitwillig alles von der Seele reden, sobald sie sein Interesse spürte.
Nein, es war kein normales Interesse. Allmählich entwickelte sich seine Neugier zur Besessenheit. Helena sollte wissen, dass sie einen mitfühlenden Zuhörer in ihm finden würde, falls sie das Geheimnis ihrer Einsamkeit enthüllen wollte. Niemals würde er sie verurteilen und verspotten, ihr Vertrauen niemals missbrauchen. War ihr das bewusst geworden, obwohl er sich etwas ungeschickt ausgedrückt hatte?
Kein Wort kam über ihre Lippen.
Während sie den Darby Creek überquerten, stieg kalte Angst in Helena auf. Dann erreichten sie den Gipfel eines Hügels, und sie sah die Häuser des Dorfes in der Ferne. Vor einem in der Nähe gelegenen Farmhaus erblickte sie eine alte Frau, in einen Schal gehüllt, die den eleganten Wagen mit großen Augen anstarrte. Adam winkte ihr zu. Aber die Frau rührte sich nicht, und Helena glaubte in dem faltigen Gesicht Abscheu und Verachtung zu lesen.
Krampfhaft schluckte sie und umklammerte ihr Retikül. Nun bereute sie ihren Entschluss, nach Strathmere zu fahren. Warum hatte sie die Schneiderin nicht nach Rathford Manor bestellt? Daran war Adam Mannion schuld. In seiner Gegenwart konnte sie nicht klar denken.
Am Rand des Dorfs - einer florierenden Gemeinde, die in den letzten Jahren immer größer geworden war - herrschte reges Leben und Treiben. Dicht vor der Karriole fuhr ein Heuwagen über die Straße. Während sie warteten, musterte Helena die Gesichter der Kinder, die auf einer nahen Wiese spielten. Würden sie sie erkennen? Und wenn ja, würden sie in Panik geraten und davonlaufen?
„Helena, geht es Ihnen nicht gut?“, fragte Adam besorgt.
Er konnte nichts wissen - er durfte nichts wissen. Wäre sie bloß nicht mit ihm hierhergefahren ... Beim ersten Anzeichen ihres Grauens hätte sie ihn bitten müssen umzukehren. Jetzt war es zu spät. „Doch, alles in Ordnung“, erwiderte sie und lächelte gezwungen. „Vielleicht bin ich ein bisschen nervös, weil ich mein Haus nicht gern verlasse.“
Als sie seinen prüfenden Blick spürte, prickelten ihre Wangen. „Noch ein Frage, die eine Antwort verlangt, Helena.“ Erbost fauchte sie ihn an: „Da gibt es kein exotisches Rätsel, nur eine unerfreuliche Wahrheit, von der Sie besser nichts erfahren, Mr Mannion. Und wenn Sie’s herausfinden, sagen Sie bloß nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt!“
Adam neigte sich zu ihr und betrachtete sie durch seine Wimpern, die für einen Mann außergewöhnlich lang und dicht waren. „Da Sie mich loswerden wollen - warum verschweigen Sie mir dieses schreckliche Geheimnis? Möglicherweise reite ich Hals über Kopf nach London zurück, wenn ich Bescheid weiß, und danke dem Himmel, der mich vor einer Katastrophe gerettet hat. “
Bei diesen Worten erschauerte er in gespieltem Grauen. Unwillkürlich brach Helena in Gelächter aus. Aber sie wurde sofort wieder ernst, senkte den Kopf und zupfte beklommen an ihrem Kleid. „Mit Ihren Scherzen erreichen Sie nichts, Mr Mannion. Und ich fürchte, was Sie wissen möchten, wird Ihnen noch früh genug zu Ohren kommen. Falls Sie hoffen, ich würde Ihnen auch nur andeutungsweise verraten, was geschehen ist - vergessen Sie’s. Einem
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