Die schoene Helena
ignorieren, als er sie die Straße hinab zum Laden der Schneiderin führte.
Offensichtlich hatte sich die Neuigkeit von Lady Helenas Ankunft wie ein Lauffeuer verbreitet. Alle Ladenbesitzer standen vor ihren Türen, Mütter liefen mit schreienden Babys aus ihren Häusern, Straßenhändler versammelten sich, um Helena zu beobachten. Wie Insektenstiche schienen sich die Blicke in ihre Haut zu bohren.
„Haben Sie einen Termin mit der Schneiderin vereinbart?“, fragte Adam, und sie klammerte sich daran, dass seine Stimme so normal klang, ein beruhigendes Licht im Dunkel ihrer Seele. Könnte sie doch die Flucht ergreifen ... Um einen Fuß vor den anderen zu setzen, musste sie ihre ganze Selbstkontrolle aufbieten. Schau nur nach vorn, befahl sie sich. Geh einfach weiter ...
Vor dem Laden der Schneiderin blieb Adam stehen. „Wenn Sie keinen Termin haben, warte ich mit Ihnen, bis die Frau Zeit für Sie findet. Das stört Sie doch nicht? Ich weiß, vorhin sagte ich, so etwas würde mich langweilen. Aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme. Sie sollen nicht stundenlang allein herumsitzen.“ Als sie das Geschäft betraten, bimmelte das Glöckchen über der Tür. „Meine Abneigung gegen Schneiderinnen hat einen ganz bestimmten Grund. In meiner Kindheit schleppte mich meine Mutter ständig von einem Modesalon zum anderen. Für einen lebhaften kleinen Jungen war das eine Tortur.“
Seine Worte wirkten wie ein Anker, an dem sie sich festhalten konnte. Wahrscheinlich redete er nur so viel, weil er sie von der Angst ablenken wollte, die ihr den Magen zusammenkrampfte.
Wie seltsam, ausgerechnet Adam Mannion war ihr Retter aus höchster Not. Seit er die Schwelle von Rathford Manor überquert hatte, hielt sie ihn für einen Feind. Und jetzt stand er ihr bei, ein unerwarteter Verbündeter.
Schuldbewusst biss sie sich auf die Lippe. Er wusste nicht einmal, warum sie die Dorfbewohner fürchtete, er kannte ihr Geheimnis nicht, und sie weigerte sich, seine Fragen zu beantworten. Trotzdem half er ihr, so gut er es vermochte.
Wenn er die Wahrheit erfuhr, würde sich alles ändern. Dann wäre er nicht mehr so fürsorglich, so eifrig bemüht, ihre Verzweiflung zu lindern.
Ganz sicher nicht. Eine Mörderin verdiente keine freundliche Aufmerksamkeit, kein Mitgefühl.
8. Kapitel
Adam blieb die ganze Zeit im vorderen Teil des Salons, während im Nebenraum Helenas neue Garderobe erörtert wurde.
In einem bequemen Sessel, den Mrs Stiles, die beflissene Schneiderin, für ihn zurechtgerückt hatte, nahm er eine Tasse Tee und süße Biskuits entgegen. Amüsiert beobachtete Helena durch die offene Tür, wie gefasst er das Getue ertrug, das die Frau und ihre Angestellten um ihn machten. Sein Unbehagen war ihm kaum anzumerken.
Mrs Stiles und ihre Gehilfinnen, Betty und Hannah, bewiesen erstaunliche Fähigkeiten. Obwohl Helena den Laden in der Absicht betreten hatte, nur wenige Kleider anfertigen zu lassen, vergaß sie ihren Entschluss, sobald sie die zahlreichen Modeskizzen und verschiedenen Stoffe sah. Von einem ungewohnten frivolen Entzücken überwältigt, bestellte sie viel mehr als geplant.
Da gab es prachtvolle Seidenstoffe mit bezaubernden bestickten Blümchen, einen in Königsblau, der ihre Augen betonen würde. Zarte Musselins in Dotterblumengelb, Lindgrün und einem ungewöhnlich schimmernden Pfirsichrosa, perfekt für Tageskleider geeignet. Früher war ihr nie gestattet worden, ihre Garderobe selbst auszusuchen. Die meisten Sachen hatten ihr nicht gefallen. Jetzt schwelgte sie in modischen Extravaganzen und herrlichen Farben.
Entweder von der lukrativen Begeisterung der jungen Dame oder echter Freundlichkeit inspiriert, schenkte Mrs Stiles Lady Helena ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und schickte mindestens drei Kundinnen weg, die an diesem Vormittag den Laden betraten. Bereitwillig holte sie alle ihre Skizzen hervor und fügte Änderungen ein, die Hannah - mit einem untrüglichen Gespür für Lady Helenas Geschmack - vorschlug.
„Dieser Entwurf müsste Ihnen ausgezeichnet stehen, Mylady“, versicherte Mrs Stiles. „Da Sie überdurchschnittlich groß sind, würden die geraden Linien hoch elegant wirken.“
„Am besten in hellrosa Crepe!“, ergänzte Hannah. Ihre dunklen Augen strahlten. „Nein, nein, der Stoff ist zu leicht, zu ätherisch für diese puderige Nuance. Nehmen wir lieber den dunklen Rosenton. Sehen Sie, Mylady, wie weich sich der Stoff drapieren lässt, wie gut die Farbe zur Geltung kommt!“
„Ja,
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