Die schoene Helena
wären ... nun ja, keine Freunde, aber wenigstens nicht mehr verfeindet.“
„Oh ...“ Sie zauderte. „Wenn Sie meinen ... Gute Nacht, Adam.“
Da lächelte er, und sie sah wieder die winzigen Fältchen in seinen Augenwinkeln. „Gute Nacht, Helena.“
12. Kapitel
Adam starrte Helenas Porträt an.
In zehn Tagen sollte die Hochzeit stattfinden, und seine Nervosität wuchs.
Warum bin ich so nervös, fragte er sich zum hundertsten Mal. Er hatte sein Ziel erreicht. Darüber müsste er sich freuen.
Demnächst würde er das Geld erhalten. Alle erforderlichen Arrangements waren getroffen worden, und er hatte seinem Anwalt bereits eine Aktenmappe mit den schriftlichen Unterlagen für vielversprechende Investitionen geschickt. Sobald er seine erste vierteljährliche Apanage bekam, wollte er profitable Geschäfte tätigen.
Wieso pochte es dann in seinen Schläfen, warum begannen seine Handflächen zu schwitzen, wann immer er an die Ehe mit Lady Helena Rathford dachte?
Grüblerisch musterte er das Porträt. Wieder einmal. Einerseits wollte er alles herausfinden, andererseits nicht. Hatte er Angst?
Oh ja. Er fürchtete, was er über Helena erfahren mochte. Vielleicht war es etwas Schreckliches, das sich nicht bereinigen ließ. Was würde er dann empfinden? Das wusste er verdammt gut. Der Gedanke, sie könnte nie mehr so selbstsicher und hochmütig in die Welt blicken wie auf diesem Gemälde, würde ihn in tiefste Verzweiflung stürzen. Nein, kein Hochmut, entschied er, nachdem er das Bild eine Zeit lang studiert hatte. Eher weibliche Vollkommenheit, wie es der Pastor genannt hatte. Jenes gewisse Etwas ... Die gemalte Helena erweckte den Eindruck, sie wollte den Betrachter auf ein Geheimnis hinweisen, während sie als pflichtbewusste Tochter für das Porträt posierte, das ihre Mutter in Auftrag gegeben hatte.
Dass Portia Rathford beschlossen hatte, der Nachwelt diese Helena zu erhalten, war alles, was Adam über die „dunkle Vergangenheit“ wusste, die wie ein Grabtuch über dem Haus hing. Wenigstens das hatte er den Dienstboten entlockt. Mrs Kent, die ihn mochte, hatte ein paar Tatsachen ausgeplaudert und dann abrupt geschwiegen, erschrocken über ihre Indiskretion.
Aber Adam sah nur seine Helena in diesem perfekten Gesicht.
Seine Helena? Seit wann war sie seine Helena?
Ein Lakai rettete ihn vor beunruhigenden Überlegungen. „Mr Mannion, jemand möchte Sie sprechen.“
„Führen Sie den Besuch bitte in den vorderen Salon, Jack.“
„Ja, Sir.“
Adam ging durch den hinteren Teil des Hauses, wo in einer Wandtäfelung eine Tür für die Dienstboten eingelassen war, und erreichte den eleganten Raum, kurz bevor eine junge Frau eintrat.
„Guten Tag, Adam“, begrüßte sie ihn, sichtlich amüsiert über sein Entsetzen.
Die Ankunft seiner Geliebten - seiner ehemaligen Geliebten - genügte, um ihm für eine ganze Weile die Sprache zu rauben. Während Tina Bentford wartete, bis er sich von der bösen Überraschung erholte, lächelte sie triumphierend. Schließlich würgte er hervor: „Sogar du müsstest merken, wie unpassend es ist, hier aufzutauchen.“
„Was?“, gurrte sie und schlenderte auf ihn zu. „Freust du dich denn nicht, mich wiederzusehen? Ist deine Frau so kleinlich, dass sie dir verbietet, alte Freunde zu empfangen?“ Langsam strich sie mit einem sorgsam manikürten Fingernagel über seine Wange. „Oh, ihr seid noch gar nicht verheiratet. Oder?“ „Hör mal, das ist kein Spiel. Du solltest verschwinden. Sofort.“
„Das Geld mag ja schön und gut sein, Adam, und ich nehme an, du kriegst genug, um das alles zu ertragen.“ Voller Verachtung ließ sie ihren Blick durch das düstere Zimmer schweifen. „Aber ehrlich gesagt... es darf dich nicht einschüchtern. Niemals hätte ich vermutet, den Tag zu erleben, an dem sich Adam Mannion in die Marionette einer Frau verwandelt und von den Schnüren ihrer Börse gegängelt wird.“
Erbost biss er die Zähne zusammen. Gewiss, er war ein Schurke, der Helena wegen ihres Vermögens heiraten würde und sie gnadenlos ausnutzte. Doch er hasste es, wenn ihn jemand anderer darauf hinwies. „Was willst du, Tina?“
„Nur mit dir reden, das ist alles“, erwiderte sie kokett. Natürlich war es längst nicht alles, und das gab sie ihm auf jene tückische, indirekte Art zu verstehen, die opportunistische Menschen bevorzugten. Offenbar wollte sie noch eine Weile Katz und Maus mit ihm spielen - und ihn bestrafen.
Seine Nackenhaare sträubten sich.
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