Die schoene Helena
verstand sie, warum er den Kuss unterbrochen hatte. Sie waren nicht mehr allein.
„Verzeihen Sie die Störung“, bat eine fremde Männerstimme. „Anscheinend gehört es zu meinen besonderen Talenten, immer wieder in peinliche Situationen zu geraten.“
Bestürzt drehte sich Helena um und erblickte einen Mann, an den sie sich nur vage erinnerte. Rosige Wangen, eine untersetzte Gestalt, ein sarkastischer Ton ...
„Bedauerlicherweise lassen meine Manieren zu wünschen übrig“, fuhr er fort. „Ich ritt nur hierher, um guten Tag zu sagen. Und da entdeckte ich Sie.“ Sein fröhlicher Blick wanderte von Adam zu der atemlosen Helena. „Hallo, meine schöne Lady.“ Ja, jetzt entsann sie sich - Gerald Hunt, Jareths Vetter. Würdevoll straffte sie die Schultern - keine leichte Aufgabe unter diesen verwirrenden Umständen. „Hallo, Gerald. Unglücklicherweise haben wir Ihre Schritte nicht gehört.“
„Was ich nur zu gut verstehe.“ Grinsend zwinkerte er ihr zu und schürte ihre Verlegenheit.
Während sie von Jareth umworben worden war, hatte sie Gerald kennengelernt und etwas seltsam gefunden. Er liebte es, den Eindruck eines Schurken zu erwecken, wirkte aber viel zu anständig, um irgendjemanden für längere Zeit zu überzeugen. Schon damals hatte sie ihn gemocht, und sein gutmütiger Spott kränkte sie nicht.
So wie ihr Vater schwärmte er für die Jagd. Wann immer er den Duke und die Duchess besuchte, was mehrmals im Jahr geschah, ritt er zum Rathford Manor, um mit dem alten Earl einen Jagdausflug zu planen.
Helena machte ihn mit ihrem Gemahl bekannt, und die beiden Gentlemen schüttelten sich die Hände. Offensichtlich war Adam noch nicht bereit, die Störung zu verzeihen. Kein guter Beginn für eine Freundschaft...
„Haben Sie meinen Vater schon gesehen, Gerald?“, erkundigte sich Helena.
„Gerade wollte ich ihm meine Aufwartung machen. Wie geht’s dem alten Knaben?“
„Ganz gut“, log sie und war ihrem Mann dankbar, weil er nicht widersprach.
„Nun, dann will ich ihn mal aufsuchen und mein Bestes tun, um ihm eine Einladung zum Dinner zu entlocken. Also treffen wir uns vielleicht bald wieder.“
Nachdem Gerald davongeschlendert war, schwieg Helena unbehaglich. Durch gesenkte Wimpern musterte sie Adam, der lachend mit den Schultern zuckte. „Immerhin sind wir verheiratet.“
„Was unser unmögliches Benehmen in aller Öffentlichkeit nicht entschuldigt.“ Erschrocken bemerkte sie den Tadel, der in ihrer Stimme mitschwang und sie beunruhigend an ihre Mutter erinnerte. Ohne ein weiteres Wort kehrte sie Adam den Rücken und ging zum Haus.
„Helena!“, rief er ihr nach. Als sie stehen blieb und sich umdrehte, reichte er ihr das Etui. „Willst du das nicht mitnehmen? “
„Doch, natürlich!“, fauchte sie und streckte ihre Hand aus.
Aber er hielt das Etui außerhalb ihrer Reichweite hoch. Notgedrungen ging sie zu ihm zurück. Mit sanften Fingern umfasste er ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. „Falls ich dich in Verlegenheit gebracht habe, tut es mir leid. In Zukunft werden wir dieses schamlose Verhalten auf unsere Privatsphäre beschränken. So intime Wünsche sollten wir uns möglichst oft erfüllen. Dann können wir der Versuchung im Licht der Öffentlichkeit besser widerstehen. Wollen wir heute Nacht damit anfangen?“
Oh Himmel, er wollte mit ihr schlafen, und das kündigte er auf so amüsante, charmante Weise an, dass sie ihn fasziniert anstarrte. Da ihr das Herz bis zum Hals schlug, brachte sie kein Wort hervor. Verlockende Erinnerungen an jene Liebesnacht benebelten ihr Gehirn, und ihre Haut begann zu prickeln.
Lächelnd strich er über ihre Wange und bot ihr den Arm. „Sei mir nicht böse. Ich bin eben erst nach Hause gekommen. So kurz nach meiner Ankunft würde ich keinen Streit ertragen.“
Von all den unglaublichen Worten, die er seit dem Wiedersehen ausgesprochen hatte, erschienen ihr die letzten am wichtigsten. Er war nach Hause gekommen. Daran dachte sie während des restlichen Tages immer wieder.
Hatte er es wirklich ernst gemeint?
23. Kapitel
Gerald blieb zum Dinner in Rathford Manor. Inzwischen hatte er seine dämonische Attitüde abgelegt, und Helena genoss seine Gesellschaft. Fast unverschämt flirtete er mit ihr, und sie fürchtete, Adam würde sich darüber ärgern.
Aber ihr Ehemann duldete die übertriebenen Komplimente und schmachtenden Blicke. Vielleicht erkannte er, wie harmlos der korpulente Junggeselle war.
Die Jagd beherrschte das
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