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Die schoene Helena

Titel: Die schoene Helena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Navin
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Schwiegervater und Gerald Hunt geplant hatte. Am Erfolg dieses Unternehmens zweifelte er. Der Schnee war zwar geschmolzen, aber auf dem harten, vereisten Boden würde man die Spuren des Wilds kaum erkennen - falls es den Wald überhaupt noch bevölkerte. Wie irgendein Geschöpf in dieser bitteren Kälte überleben konnte, wusste Adam nicht.
    Außerdem mussten die Dorfbewohner, die den abgebrannten Teil des Stalls instand setzten, beaufsichtigt werden. Und gegen Ende Februar wollten der Duke und die Duchess of Strathmere einen Ball geben. Allmählich erholte sich Helena von ihrer Krankheit, war aber immer noch geschwächt.
    Helena ... Abrupt hielt er in seinen Gedanken inne. Alles andere spielte keine Rolle. Für ihn zählte nur sie.
    Verdammt, die Reise nach London kam ihm äußerst ungelegen. Trotzdem musste er seine Chance nutzen. Und so redete er sich ein, mit Helena sei alles in bester Ordnung, packte grimmig seine Sachen und lehnte die Hilfe des Dieners ab, der für solche Pflichten zuständig war. Wenn er schwierige Probleme überdachte, wollte er allein sein.
    Nachdem er seinen Koffer geschlossen hatte, ging er in Helenas Zimmer. Von mehreren Kissen gestützt, saß sie im Bett, ein Tablett auf ihrem Schoß. Lustlos rührte sie mit einem Silberlöffel in einer Suppenschale. Ihr hochgeschlossenes Nachthemd wurde am Hals von einer mädchenhaften rosa Schleife zusammengehalten. Lose fiel das Haar über ihre Schultern.
    Obwohl sie keinen erotischen Anblick bot, sondern sittsam und fast engelsgleich wirkte, floss das Blut schneller durch seine Adern.
    „Allem Anschein nach geht’s dir besser“, bemerkte er. Zu seiner Erleichterung klang seine Stimme einigermaßen ruhig.
    „Ja, ich fühle mich recht gut.“ Dichte Wimpern verschleierten die himmelblauen Augen und hüteten Helenas Geheimnisse.
    Mit dieser Auswirkung ihrer Krankheit kam er besonders schlecht zurecht. Seit sie ans Bett gefesselt war, distanzierte sie sich von ihm. Nicht die erbitterte Feindschaft der ersten Tage, nicht das bezaubernde Erröten wachsender Zuneigung. Stattdessen beobachtete sie ihn wachsam und erweckte den Eindruck, sie hätte Angst.
    Doch nicht vor ihm ?
    Und jetzt musste er sie auch noch im Stich lassen. Verdammt, er hasste dieses Gefühl der Ohnmacht.
    Den Blick immer noch gesenkt, spielte sie mit dem Suppenlöffel, und die Wimpern warfen lange Schatten auf ihre blassen Wangen. „Heute möchte ich mich anziehen. Vielleicht gehe ich sogar spazieren.“
    „Hoffentlich wirst du dich nicht überanstrengen.“
    „Nein, gewiss nicht.“
    Adam seufzte leise. Warum weigerte sie sich, ihn anzuschauen? Nervös legte sie den Löffel beiseite und glättete ihr Haar.
    „Tut mir leid, Helena.“ Impulsiv trat er einen Schritt näher. „Ich muss abreisen ...“ Als sie die Schultern hängen ließ, verstummte er erschrocken.
    „Das hat Mrs Kent mir erzählt.“
    „Bist du böse?“
    Vor lauter Verwirrung sah sie ihn sogar an. Aber nur ein paar Sekunden lang. „Nein.“
    Die Antwort klang ehrlich. Und warum wirkte sie so bedrückt? „Ich komme so bald wie möglich zurück. Nächsten Monat findet der Strathmere-Ball statt. Den will ich natürlich besuchen.“
    „Das ist nett von dir.“
    Obwohl in ihren Worten nicht die mindeste Ironie mitschwang, ärgerte sich Adam. Verdammt, er wollte nicht nett sein - es war sein Wunsch , mit seiner Frau auf diesen Ball zu gehen.
    Helenas Kinn sank auf die Brust, und er glaubte, mit dieser Geste würde sie ihn entlassen.
    Eigentlich hatte er beabsichtigt, ihr etwas länger Gesellschaft zu leisten. Daran hinderte ihn ein wachsendes Unbehagen. Nach kurzem Zögern entschuldigte er sich. Bevor er sich abwandte, warf sie ihm einen raschen Blick zu, der ihn den ganzen restlichen Tag verfolgte. Lag es an seiner Fantasie? Oder hatte er tatsächlich eine flehende Bitte in ihren Augen gelesen?
    Eine Bitte - worum?
    Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sank Helena ins Kissen und starrte zur Zimmerdecke hinauf. Nur im Hintergrund ihres Bewusstseins spürte sie den Schmerz. Dummerweise glaubte sie, wenn sie reglos dalag, könnte sie ihm verwehren, wie ein böser Dämon über sie herzufallen und sie zu verschlingen. Stattdessen krochen die Qualen langsam in ihr hoch, bis sie ihre Brust durchbohrten, bis ihr das Atmen schwerfiel. Ihre Augen brannten. Als sie blinzelte, hingen Tränen an ihren Wimpern.
    Einfach lächerlich, diese Verzweiflung zu empfinden, nur weil er eine Geschäftsreise nach London

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