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Die schoene Helena

Titel: Die schoene Helena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Navin
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aus aufeinandergehäuften Steinen am Waldrand begrenzte.
    Adam blieb in der Tür stehen und musterte ihr Profil, die schmale Nase, die hohe Stirn, die keine einzige Sorgenfalte zeigte. Unter den Augen sah er kaum merkliche Schatten. Die zarten Lippen leicht geöffnet, wirkte sie völlig entspannt.
    Als er zu ihr ging, hörte sie die leisen Schritte auf dem Fliesenboden und wandte den Kopf zu ihm. Sofort verwandelte sich ihr Gesicht, und er las reine Freude in ihren blauen Augen. Ihr Lächeln beschleunigte seinen Puls. Am liebsten hätte er sie in die Arme gerissen. Beinahe wäre er diesem Impuls gefolgt. Beide Hände ausgestreckt, neigte er sich zu ihr. Aber da schien ein Schleier das Glück zu verhüllen, das ihren Blick eben noch erhellt hatte. Fast hochmütig hob sie das Kinn.
    Ohne seine Verwirrung zu verbergen, richtete er sich auf und ließ die Arme sinken. „Guten Tag, Helena.“
    „Adam ...“, erwiderte sie kühl. Sie trug ein hübsches, mit Ecrüspitze verziertes weinrotes Kleid. Aus dem hochgesteckten Haar fielen ein paar blonde Locken auf ihre Schultern.
    Wie eine Königin sieht sie aus, dachte er, eine unnahbare Schönheit. „Offensichtlich hast du dich gut erholt“, bemerkte er. „Dein Vater schrieb mir, du seist völlig genesen. Nun kann ich mich endlich mit eigenen Augen davon überzeugen.“
    „Ja, es geht mir ausgezeichnet.“
    Warum erschien sie ihm so fremd, so abweisend? Als würde sie eine unsichtbare Barriere von ihm trennen ...
    „Was liest du da?“
    Sie warf einen kurzen Blick auf ihr Buch. „Einen rührseligen Roman ... eine alberne Geschichte, die mir einfach nur die Zeit vertreibt.“
    „Wahrscheinlich verbringst du zu viele Stunden im Haus“, meinte er und rückte einen schmiedeeisernen Stuhl heran, der ein unangenehmes klirrendes Geräusch auf den Fliesen erzeugte. „An deiner Stelle würde ich mich langweilen.“
    „Mrs Kent erlaubt mir nicht, irgendetwas zu unternehmen. Früher war ich so beschäftigt, dass ich gar nicht wusste, wo mir der Kopf stand. Und jetzt habe ich nichts anderes zu tun, als uninteressante Bücher zu lesen.“ Seufzend fügte sie hinzu: „Normalerweise gefallen mir Mrs Radcliffs Romane. Ich glaube, es liegt an der Gleichförmigkeit meines Alltags. Außer meiner Lektüre habe ich keine Abwechslung. Deshalb weiß ich diese Werke nicht mehr zu schätzen.“
    „Armes Mädchen! Wenn sich das Wetter bessert, reiten wir in den Wald.“
    „Das wäre wundervoll“, erwiderte sie höflich.
    Warum gewann er den Eindruck, sie würde ihm etwas verschweigen? Noch mehr Geheimnisse? Entschlossen verdrängte er die Frage. Jetzt war er wieder in Rathford Manor bei Helena. Wochenlang hatte er das Wiedersehen herbeigesehnt, und er wollte sich die Freude nicht von der unerklärlichen Zurückhaltung seiner Frau verderben lassen. Lächelnd beugte er sich vor: „Spielen wir Karten? Das würde dir viel größeren Spaß machen als deine Romane.“
    Helena errötete mädchenhaft. Offenbar gefiel ihr sein Vorschlag, obwohl sie sich bemühte, ihre distanzierte Pose beizubehalten. „Also gut. Was möchtest du spielen?“
    „Diese Entscheidung musst du treffen. Von Kartenspielen, die man in vornehmen Damenkreisen bevorzugt, verstehe ich nicht viel.“
    In ihren Augen erschien ein boshafter Glanz - das erste Zeichen ihres alten Temperaments. „Dann spielen wir Whist. Darin bin ich unbesiegbar.“
    „Ah, eine Spielerin aus Leidenschaft! Soll ich mich darauf einlassen? Ich habe mir geschworen, nie wieder einen Penny auf irgendwelche Karten zu setzen.“
    „Tatsächlich?“, rief sie verblüfft. „Das wusste ich nicht.“ Wie wenig sie voneinander wussten ... „In den Londoner Spielsalons hatte ich kein Glück. Aus diesem Grund kam ich hierher.“ Zu spät erkannte er seinen Fehler. Helena senkte die Lider, und er verfluchte sein mangelndes Taktgefühl. Fast nonchalant fuhr er fort: „Aber letzten Endes hat sich alles zum Guten gewendet, nicht wahr?“
    Sie schaute ihn zögernd an. In ihren Augen lag wieder jene sonderbare Angst. Wovor zum Teufel fürchtete sie sich? Bedrückt stand er auf. „Gehen wir in den Salon, und bestellen wir Tee.“
    „Ja.“
    Verstohlen beobachtete er, wie sie sich erhob. Verrieten ihre Bewegungen immer noch eine gewisse Schwäche? Aber er entdeckte nichts dergleichen, obwohl sie etwas unsicher wirkte. Spontan ergriff er ihre Hand, legte sie auf einen Unterarm. Sie fühlte sich so zerbrechlich an, als würde ein Vögelchen auf seinem Ärmel

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