Die schoene Helena
schändlichen Mord.“ Endlich verließ sie das Zimmer. Helena sank in ihren Sessel zurück und starrte bedrückt vor sich hin. Mit ihrer makabren Prophezeiung hatte Kimberly ihr keine Angst eingejagt. Es war etwas anderes, das ihr zu denken gab. Manchmal fürchtete sie, den Verstand zu verlieren.
Hegte auch Adam diesen Verdacht?
Als Adam und seine Frau das herzogliche Schloss betraten, wurden sie von einer freudestrahlenden Chloe begrüßt. Atemlos eilte sie ihnen in der Halle entgegen und umarmte Helena, die etwas unsicher lächelte. Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und die Flucht ergriffen. Nur widerwillig war sie ihrem Mann ins Strathmere-Schloss gefolgt, nachdem er sich geweigert hatte, den Besuch in letzter Minute abzusagen. Sie fürchtete die Menschenmenge, die neugierigen Klatschbasen, die hinter ihren Fächern tuscheln würden. Aber sie riss sich zusammen und murmelte: „Euer Gnaden ...“
Chloe hielt sie auf Armeslänge von sich. „Mein Gott, Helena, wie schaffst du es, immer so makellos auszusehen?“
„Meine Liebe, du bist so freundlich. Es ist deine Schönheit, die diesen Raum erhellt und alle Blicke auf sich zieht.“
„Wirklich?“ Chloe nahm Helena beim Arm und führte sie von der Warteschlange der Gäste weg, die sich anstellten, um die Gastgeber zu begrüßen - ein schrecklicher Verstoß gegen die Etikette. Doch das störte die Duchess nicht im Mindesten. „Sieht man’s schon?“
„Was?“, fragte Helena.
Kichernd neigte sich Chloe zu ihr. „Ich erwarte wieder ein Baby.“
„Oh, ich freue mich so für dich!“
„Danke, Helena. Du musst mich bald wieder besuchen. Dann reden wir in Ruhe über alles, unter vier Augen ... Wie schön, dass wir Freundinnen geworden sind!“
Die Offenherzigkeit der unkonventionellen Duchess rührte Helenas Herz. Plötzlich musste sie lachen, und ihre Angst verflog. „Jetzt solltest du dich um deine anderen Gäste kümmern.“ Chloe drückte ihre Hand, eilte davon, und Helena sah sich nach ihrem Mann um.
Nur wenige Schritte entfernt, beobachtete er sie und lächelte, als wüsste er, dass sie den schützenden Panzer, der ihre Seele umgab, ein wenig geöffnet hatte.
Wie attraktiv er aussah ... Allein schon sein Anblick beglückte sie. Er kam zu ihr und ergriff ihre Hand. Während er sie in den Ballsaal führte, gafften die Leute, so wie sie es befürchtet hatte. Aber er nickte ihnen zu und lächelte unbefangen. Entweder wandten sie sich verlegen ab, oder sie erwiderten den Gruß mit überraschend freundlichen Gesichtern.
Wie schon so oft machte ihr seine Nähe Mut, und sie ließ sich zu einem Walzer auffordern. Wie von einem schwindelerregenden Wirbelwind erfasst, wiegte sie sich in Adams Arm, spürte die Wärme seiner Finger durch den dünnen Glacehandschuh. Dann tranken sie Champagner - vielleicht etwas zu viel -, und Helena lachte fröhlich, laut und ungeniert - welch ein Kontrast zu dem leisen, damenhaften Gekicher, das ihr die Mutter beigebracht hatte ...
Die Gentlemen versuchten Adam in den Rauchsalon zu politischen Diskussionen zu ziehen. Schließlich gelang es Jareth, ihn von Helena wegzulocken und mit Freunden bekannt zu machen.
Als er davonging, schaute er über die Schulter und bat Helena mit einem resignierenden Blick um Entschuldigung. Aber sie war guter Dinge und genoss den Ball, den sie tagelang gefürchtet hatte. Das verdankte sie einzig und allein ihrem Mann. Sie setzte sich auf einen der Stühle, die an der Wand standen. Vorerst wollte sie sich damit begnügen, die Tanzpaare zu beobachten.
Neben ihr saß eine Frau, die sie bestürzt anstarrte, bevor sie sich zu einem Lächeln zwang. Helena lachte leise. „Oh, ich weiß, Sie hatten nicht erwartet, mich hier anzutreffen, Madam. Offenbar kennen Sie mich.“ Sie streckte ihre Hand aus. „Aber ich kann mich nicht entsinnen ...“
Nur zögernd ergriff die Frau ihre Hand. „Ich bin Lady Germaine.“
„Freut mich, Lady Germaine. Amüsieren Sie sich?“
„Oh ja.“ Endlich schien sich die Dame von ihrem Schrecken zu erholen.
„Ist die Duchess nicht eine zauberhafte Gastgeberin?“
„Nun, ich dachte eigentlich ...“
„Gewiss, die meisten Leute glauben, die Duchess und ich wären verfeindet. Aber ich versichere Ihnen, Lady Germaine, ihr Charme bezaubert mich genauso wie alle anderen Menschen in ihrer Umgebung.“
War das wirklich sie, Lady Helena Rathford, die unbeschwert lachte und mit einer fremden Frau plauderte? Und sie scheute sich nicht einmal, über
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