Die schoene Helena
Rathford spartanisch eingerichtetes Schlafzimmer mit den dunklen, schäbigen alten Möbeln. Auf Stil und Komfort hatte er niemals Wert gelegt, nur auf eine zweckmäßige Ausstattung. Sogar sein Bett wirkte unbequem, viel zu schmal für den kräftig gebauten Hausherrn.
Er schlief tief und fest. Enttäuscht wandte sich Helena zur Tür, aber Adam hielt sie am Arm fest. „Glaubt dein Vater, was er über mich gehört hat?“, flüsterte er.
„Jedenfalls hat er es mir erzählt“, erwiderte sie herausfordernd. '
„Verdammt“, murmelte er und ließ sie los. „Keine Ahnung, was da vorgeht... Ich muss unbedingt mit ihm reden.“
„Vorerst braucht er seine Ruhe.“
„Geh hinaus, Helena, ich werde bei ihm Wache halten.“
Sie zögerte, Adam mit ihrem Vater allein zu lassen. Doch sie sah keinen Grund, warum er nicht hierbleiben sollte. Außerdem fühlte sie sich völlig erschöpft. Das wurde ihr erst jetzt bewusst. Nachdem sie erfahren hatte, ihr Vater würde genesen, lockerte sich die innere Anspannung, und sie wollte nur noch schlafen.
Auf dem Weg zu ihrer Suite traf sie Cathy, eine junge Dienerin.
„Gerade habe ich Ihr Bett aufgeschlagen, Mylady. Soll ich Ihnen beim Auskleiden helfen?“
„Nein, danke. Sorgen Sie nur dafür, dass ich nicht gestört werde.“
Während Helena in ihrem Schlafzimmer umherwanderte, überdachte sie die Ereignisse der letzten Stunden. So viel war innerhalb eines einzigen Tages geschehen ... Um ihren Vater brauchte sie sich nicht mehr zu sorgen, und so befassten sich ihre Gedanken mit Howards Brief. Und mit Adam. Wollte er tatsächlich ihre Treuhandfonds in seinen Besitz bringen, indem er sie für wahnsinnig erklären ließ?
Nein, das konnte sie nicht glauben. Aus einem ersten zornigen Impuls heraus hatte sie ihn für schuldig gehalten. Nun besann sie sich anders. Vielleicht hätte sie ihn nicht zur Rede stellen sollen. Selbst wenn er sie wirklich zu hintergehen suchte - es gab keinen Beweis. Und wenn Howard ihn zu Unrecht verdächtigte, hatte sie ihren Mann tief gekränkt.
Oh Gott, sie hatte ihm sogar vorgeworfen, er würde absichtlich Zweifel an ihrem Verstand wecken. Warum war sie so weit gegangen? Sie hatte sich niemals als Opfer übler Machenschaften gesehen. In der Hitze des Gefechts war ihr der Vorwurf über die Lippen gekommen, gegen ihren Willen. Und jetzt überlegte sie, ob sie einen wichtigen Anhaltspunkt entdeckt hatte. Immerhin befand sich Laudanum im Haus. Irgendjemand könnte ihr unbemerkt Drogen verabreichen, schon seit längerer Zeit, und den Eindruck erwecken, sie wäre wahnsinnig.
Helena sank auf die Fensterbank und schlang ihre Arme um die angezogenen Knie. Ja, es war offensichtlich. Von der Angst um den Vater befreit, konnte sie endlich klar denken. Wer trieb dieses üble Spiel mit ihrer Seele?
Das traute sie Adam nicht zu. Jemand anderer steckte dahinter. Ein unbekannter Feind.
Nach einer Weile stand sie auf. Was sie jetzt plante, erschien ihr selbst unfassbar. Sie lief die Treppe hinab und betrat die Bibliothek. Entschlossen ging sie zu dem Schrank zwischen den beiden hohen Fenstern und nahm eine große Kassette heraus, die sie auf den Schreibtisch stellte und öffnete. Auf blauem Samt lagen zwei elegante, altmodische Pistolen. Vorsichtig hob sie eine der Waffen hoch.
Lade sie, nur für den Fall, dass er nicht tot ist.
Die kalte Stimme ihrer Mutter, die ihr befohlen hatte, das Pulver zu nehmen, dann die Kugel... Während sie damals blindlings gehorchte, dachte Helena, das alles würde nicht wirklich geschehen. Nur ein Missverständnis ... ein schlechter Scherz ... Und dann erkannte sie die Wahrheit - ihre Mutter wollte Chloe und Jareth tatsächlich töten, nichts würde sie davon abhalten.
Aber sie, Helena, hatte den Doppelmord verhindert.
Als sie die Pistole jetzt in ihrer Hand hielt, glaubte sie loderndes Feuer zu berühren. Sie wusste, wo ihr Vater das Pulver und die Kugeln verwahrte. Erst lud sie die eine Waffe, dann die an-dere, verstaute beide wieder in der Kassette und trug sie nach oben. In ihrem Schlafzimmer versteckte sie die Pistolen unter dem Kopfkissen.
An diesem Tag vermied sie eine weitere Begegnung mit Adam. Nicht alle Zweifel waren beseitigt. Deshalb wollte sie abwarten, was geschehen mochte. Am nächsten Morgen würde sie mit ihm reden. Nach dem Gespräch am letzten Abend und der sorgenvollen Nacht waren ihre Gefühle immer noch im Aufruhr, und sie traute ihrer Selbstkontrolle nicht. Falls ihr irgendeine Gefahr drohte, war
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