Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
verbunden. Danke.«
    Teidel eiste seine Hand aus Chutskys Griff. »Gern geschehen«, erwiderte er und schritt zur Tür.
    Chutsky und ich sahen ihm nach. »Es geht mir bereits viel besser«, meinte Chutsky. »Allein, dass er hier war, hat geholfen.« Er warf mir einen Blick zu, als hätte ich eine spöttische Bemerkung gemacht, dann fuhr er fort: »Ernsthaft. Sie wird wieder gesund.«
    Ich wünschte, ich besäße Chutskys Zuversicht. Ich war keineswegs überzeugt, dass Deborah wieder gesund werden würde. Ich wollte ehrlich daran glauben, doch bin ich, anders als die meisten Menschen, nicht besonders gut darin, mich selbst zum Narren zu halten. Hat eine Situation die freie Richtungswahl, geht es meiner Erfahrung nach stets bergab.
    Das jedoch konnte ich in einer Intensivstation nicht äußern, ohne eine gewisse ablehnende Haltung bei meinem Gegenüber zu provozieren, deshalb murmelte ich etwas Angemessenes, und wir kehrten zurück an Deborahs Bett. Wilkins stand nach wie vor an der Tür. Ich konnte keine Veränderung in Deborahs Zustand feststellen, gleichgültig, wie lange wir dort saßen und wie intensiv wir sie musterten. Abgesehen vom Summen, Klicken und Plingen der Maschinen geschah gar nichts.
    Chutsky starrte sie an, als könnte er sie kraft seines Blickes zwingen, sich aufzusetzen und zu sprechen. Es funktionierte nicht. Nach einer Weile richtete er diesen Blick auf mich. »Der Kerl, der ihr das angetan hat«, sagte er. »Sie haben ihn, oder?«
    »Er sitzt«, bestätigte ich. »In der Arrestzelle.«
    Chutsky nickte. Er sah aus, als wollte er noch etwas hinzufügen. Er sah zum Fenster, seufzte und starrte dann wieder Deborah an.
    Dexter wird allerorten ob der Tiefe und Schärfe seines Verstands gerühmt, doch es war schon fast Mitternacht, als mir aufging, dass hier zu sitzen und Deborahs reglose Gestalt anzustarren vollkommen sinnlos war. Die Uri- Geller-Intensität von Chutskys Blick hatte ihr nicht auf die Beine geholfen, und schenkte man den Ärzten Glauben, würde sie noch längere Zeit gar nichts aus eigener Kraft tun: Aus diesem Grund schien es wesentlich sinnvoller, wenn Dexter für ein paar erbärmliche Stunden ins Bett wankte, statt hier zu sitzen und langsam in einem verkrümmten, rotäugigen Klumpen zu Boden zu rutschen.
    Chutsky erhob keine Einwände; er winkte nur und murmelte etwas von »die Stellung halten«. Ich stolperte aus der Intensivstation in die warme, schwüle Nacht von Miami. Eine angenehme Abwechslung nach der klimatisierten Kühle des Krankenhauses, und so blieb ich stehen, um den Duft der Vegetation und der Abgase einzuatmen. Am Himmel schwebte ein großer Keil des unheilvollen gelben Mondes und kicherte in sich hinein, doch spürte ich seinen Sog nicht wirklich. Ich konnte mich weder auf das freudvolle, dazu passende Glitzern einer Messerklinge konzentrieren noch auf den wilden nächtlichen Tanz schattigen Entzückens, nach dem es mich verlangen sollte. Nicht jetzt, da Deborah reglos dort drin lag. Nicht, dass es falsch gewesen wäre – mir war einfach nicht danach. Ich fühlte gar nichts, außer Müdigkeit, Schwerfälligkeit und Leere.
    Nun, an der Schwerfälligkeit und Leere konnte ich nichts ändern, genauso wenig wie ich Deborah heilen konnte, doch zumindest gegen die Müdigkeit konnte ich etwas unternehmen.
    Ich fuhr nach Hause.
     
    Ich erwachte früh, einen schlechten Geschmack im Mund. Rita war bereits in der Küche und reichte mir eine Tasse Kaffee, ehe ich mich auch nur auf einen Stuhl setzen konnte. »Wie geht es ihr?«, fragte sie.
    »Es ist noch zu früh, um etwas zu sagen«, entgegnete ich, und sie nickte.
    »Das sagen sie immer«, sagte sie.
    Ich trank einen großen Schluck Kaffee und stand wieder auf. »Ich frage besser mal nach, wie es ihr heute Morgen geht.« Ich schnappte mir mein Handy vom Tisch an der Tür und rief Chutsky an.
    »Keine Veränderung«, berichtete er mit vor Erschöpfung heiserer Stimme. »Ich ruf dich an, wenn etwas passiert.«
    Ich kehrte in die Küche zurück und setzte mich, wobei ich das Gefühl hatte, als könnte ich selbst jeden Moment ins Koma fallen. »Was sagen sie?«, erkundigte sich Rita.
    »Keine Veränderung«, erwiderte ich und verkroch mich in meiner Kaffeetasse.
    Mehrere Tassen Kaffee und sechs Blaubeerpfannkuchen später war ich einigermaßen wiederhergestellt und bereit, zur Arbeit aufzubrechen. Also erhob ich mich, verabschiedete mich von Rita und den Kindern und trat aus der Tür. Ich würde wie üblich so tun als ob und

Weitere Kostenlose Bücher