Die schöne Kunst des Mordens
mich vom ordinären Rhythmus meines künstlichen Lebens in synthetische Gelassenheit wiegen lassen.
Doch die Arbeit stellte sich nicht als die Freistatt heraus, die ich mir erhofft hatte. Mitleidige Mienen grüßten von allen Seiten, und gedämpfte Stimmen erkundigten sich: »Wie geht es ihr?« Das gesamte Gebäude schien vor Sorge zu pulsieren, während der Schlachtruf »Es ist zu früh, um etwas zu sagen« von den Wänden widerhallte. Selbst Vince Masuoka war vollkommen von diesem Geist beseelt. Er hatte Doughnuts mitgebracht – das zweite Mal in dieser Woche! – und mir in einer Geste lauteren Mitgefühls den mit Cremefüllung aufgehoben.
»Wie geht es ihr?«, erkundigte er sich.
»Sie hat eine Menge Blut verloren«, erwiderte ich, in erster Linie, um etwas Abwechslung in die Sache zu bringen, ehe mir von den ständigen Wiederholungen die Zunge ausfranste. »Sie liegt noch auf der Intensivstation.«
»Im Jackson sind sie ziemlich gut darin«, sagte er. »Jede Menge Übung.«
»Mir wäre lieber, sie würden an jemand anderem üben«, erwiderte ich und aß den Doughnut.
Ich hatte noch nicht einmal zehn Minuten auf meinem Stuhl gesessen, als ich einen Anruf von Gwen, Captain Matthews’ Assistentin, erhielt. »Der Captain möchte Sie sofort sehen!«
»Diese schöne Stimme – das kann doch nur der strahlende Engel Gwen sein«, antwortete ich.
»Er meint jetzt sofort«, wiederholte sie und legte auf.
Ich brauchte nicht einmal vier Minuten bis ins Vorzimmer des Captain, wo ich auf Gwen in persona traf. Sie war seit Ewigkeiten Matthews’ Assistentin, schon damals, als man so etwas noch Sekretärin nannte, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen war sie unglaublich effizient. Und zum anderen war sie unglaublich unscheinbar, weshalb keine der drei Ehefrauen des Captain jemals etwas an ihr auszusetzen gefunden hatte.
Auch für mich war sie dank dieser Kombination unwiderstehlich, und es war mir unmöglich, sie zu treffen, ohne dass meinem duftigen Esprit ein unbeschwerter Scherz entschlüpfte. »Oh, Gwendolyn«, grüßte ich. »Süßeste Sirene von Süd-Miami.«
»Er erwartet Sie.«
»Vergessen Sie ihn«, flehte ich sie an. »Entfliehen Sie mit mir in ein Leben wunderbarer Ausschweifungen.«
»Gehen Sie rein«, sagte sie mit einem Nicken zur Tür. »In den Konferenzraum.«
Ich hatte angenommen, dass der Captain mir sein offizielles Mitgefühl aussprechen wollte, doch der Konferenzraum schien ein seltsamer Ort dafür. Aber er war der Captain und Dexter nur sein Lakai, deshalb trat ich ein.
Captain Matthews stand direkt hinter der Tür, und als ich eintrat, stürzte er auf mich zu. »Morgan«, begrüßte er mich. »Das hier, äh – ganz inoffiziell, hm.« Er wedelte mit der Hand, dann legte er sie mir auf die Schulter. »Sie müssen uns helfen, mein Sohn«, stammelte er. »Einfach – Sie wissen schon.« Ohne weitere surreale Bühnenanweisung führte er mich zu einem Platz am Tisch.
Dort saßen bereits einige Personen, von denen ich die meisten kannte, und keine von ihnen bedeutete gute Neuigkeiten.
Israel Salguero saß dort, Leiter der Dienstaufsicht – für sich genommen schon eine schlechte Nachricht. Neben ihm saß auch noch Irene Cappuccio, die ich lediglich vom Sehen kannte, aber deren Ruf mir vertraut war. Die Chefjuristin des Departments wurde nur gerufen, wenn jemand eine glaubwürdige und substanzielle Klage gegen uns eingereicht hatte. Neben ihr war ein weiterer Rechtsanwalt des Departments, Ed Beasley.
Auf der anderen Tischseite saß Lieutenant Stein, Pressesprecher, darauf spezialisiert, Vorfälle so zu frisieren, dass die gesamten Kräfte nicht wie eine Bande randalierender Westgoten aussahen. Insgesamt war diese Gruppe nicht dazu angetan, Dexter in einen Zustand wohliger Gelassenheit zu versetzen.
Neben Matthews saß ein Fremder, und aus dem Schnitt seines offensichtlich teuren Anzugs ging eindeutig hervor, dass es sich um keinen Polizisten handelte. Er war schwarz, seine Miene drückte bedeutende Herablassung aus, und der rasierte Schädel schimmerte so glänzend, dass er meiner Ansicht nach bestimmt Möbelpolitur dafür benutzte. Während ich ihn musterte, zuckte sein Arm, wodurch der Ärmel verrutschte und einen riesigen diamantenen Manschettenknopf und eine schöne Rolex enthüllte.
»Nun«, sagte Matthews, während ich an einen Stuhl gelehnt meine aufkommende Panik niederkämpfte. »Wie geht es ihr?«
»Es ist zu früh, um etwas zu sagen«, sagte ich.
Er nickte. »Nun, ich
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