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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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den destruierenden Dexter bei der Arbeit vor uns sehen. Ich werde den Haien vorgeworfen, und zugleich entsteht ein großes kommunales Kunstwerk, welches alle bewundern können. Eine perfekte Lösung.
    Ich erreichte meinen Wagen und setzte mich auf den Fahrersitz, wo ich den Skizzenblock ein weiteres Mal durchblätterte.
    Selbstverständlich bestand die Möglichkeit, dass es sich nur um Skizzen handelte, Phantasien aus Papier und Bleistift, die niemals das Licht des Tages erblicken würden. Jedoch hatte alles mit Weiss und Doncevic begonnen, die öffentlich Leichen zur Schau stellten, und der einzige Unterschied lag in der Größenordnung – darin und in der Tatsache, dass Dexter an irgendeinem Punkt in den letzten Tagen zum Kunstausstellungsprojekt von Weiss avanciert war. Die Mona Dexter.
    Und jetzt plante er zudem, aus mir ein großes öffentliches Schauspiel zu machen. Dexter, der Prächtige, die Welt beherrschend wie der Koloss, viele reizende Leichen zu seinen Füßen, live und in Farbe, gerade rechtzeitig für die Abendnachrichten. Oh, Mama, wer ist dieser große und attraktive Mann mit der blutigen Säge? Ach, das ist Dexter Morgan, Liebes, der schreckliche Mann, den sie vor einer Weile verhaftet haben. Aber Mama, warum lächelt er denn? Er mag seine Arbeit, Liebes. Lass dir das eine Lehre sein – such dir stets eine Arbeit, die dich befriedigt.
    Ich hatte im College genug gelernt, um die Tatsache zu akzeptieren, dass eine Kultur nach ihrer Kunst beurteilt wird. Es war eine demütigende Vorstellung, dass zukünftige Generationen im Fall, dass Weiss Erfolg hatte, auf das einundzwanzigste Jahrhundert zurückblicken und dessen Leistungen anhand meines Bildes beurteilen würden. Die Vorstellung dieser Art der Unsterblichkeit war zwar äußerst verführerisch – aber dennoch hafteten dieser speziellen Einladung zu ewigem Ruhm einige Nachteile an. Erstens bin ich viel zu bescheiden, und zweitens – nun, da war noch diese Sache, was passierte, wenn die Leute herausfanden, was ich in Wahrheit war. Coulter oder Salguero zum Beispiel. Was sie gewiss würden, falls das Bild von mir auf ein großes öffentliches Gebäude projiziert wurde, ein Stapel Leichen zu meinen Füßen. Ein wahrhaft reizender Gedanke, doch unglücklicherweise würde es dazu führen, dass verschiedene Leute begannen, gewisse Fragen zu stellen, ein paar Strippen zu ziehen – und nicht lange, und das Tagesgericht wäre Cremesuppe Dexter, liebevoll auf Old Sparky zubereitet und serviert auf der ersten Seite des
Herald.
    Nein, sehr schmeichelhaft, doch ich war nicht bereit, eine lebende Kunstikone des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu werden. Mit größtmöglichem Widerstreben musste ich mein Bedauern aussprechen und die Ehre ablehnen.
    Aber wie?
    Eine echt gute Frage. Die Bilder verrieten mir, was Weiss vorhatte – aber sie verrieten mir nicht, wie weit seine Pläne bereits gediehen waren oder wann er zur Tat schreiten wollte oder wo …
    Moment mal: sie verrieten mir, wo. Ich wandte mich erneut dem letzten Bild zu, auf dem das ganze wahnsinnige Projekt in farbenprächtigen Einzelheiten zu sehen war. Die Zeichnung des als Projektionsfläche dienenden Gebäudes war äußerst detailliert und wirkte vertraut – und die beiden Palmenreihen hatte ich ganz sicher schon mal irgendwo gesehen. Ich hatte diesen Ort bereits besucht; doch wann, und wo? Ich starrte auf das Bild und ließ mein riesiges Hirn wirbeln. Ich war dort in jüngerer Vergangenheit gewesen. Vielleicht ungefähr ein Jahr vor meiner Heirat?
    Und bei diesem Wort,
Heirat,
erinnerte ich mich. Es war anderthalb Jahre her. Ritas Arbeitskollegin Anna hatte geheiratet. Eine üppige und bemerkenswert kostspielige Hochzeit, was dem Wohlstand der Brauteltern zu verdanken war, und Rita und ich hatten den Empfang besucht, der in dem piekfeinen alten Hotel The Breakers in Palm Beach stattfand. Das hier gezeichnete Gebäude zeigte unzweifelhaft die Front des Breakers.
    Wunderbar, nun wusste ich präzise, wo Weiss plante, sein nobles Dexterama zu inszenieren. Was fing ich nun mit dieser Erkenntnis an? Ich konnte schwerlich die nächsten drei Monate Tag und Nacht vor dem Hotel kampieren und darauf lauern, dass Weiss mit der ersten Ladung Leichen auftauchte. Doch ebenso wenig konnte ich es mir leisten, nichts zu unternehmen. Früher oder später würde er entweder in Aktion treten oder … Oder handelte es sich möglicherweise erneut um eine Falle, aufgestellt in der Absicht, mich nach Palm Beach

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