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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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zu locken, während Weiss hier in Dade County etwas anderes tat?
    Doch das war albern; er hatte nicht damit gerechnet, mit einem Bleistift im Bein und dem Abdruck einer kleinen Faust im Schritt dem Horizont entgegenzuhinken und dabei seine Zeichnungen zurücklassen zu müssen. Das war sein Plan, auf Gedeih und Verderb – und ich musste an Verderb glauben, wenigstens, soweit es meine Reputation betraf. Blieb nur eine Frage: Wann? Die einzige Antwort, die mir einfiel, lautete »bald«, und das schien wahrlich nicht sonderlich präzise.
    Es gab keine andere Möglichkeit – ich musste mir ein paar Tage freinehmen und am Hotel warten. Das bedeutete, Rita und die Kinder allein zu lassen, was mir überhaupt nicht gefiel, doch mir blieb nichts anderes übrig. Weiss hatte stets schnell gehandelt, von einem Einfall zum anderen, und ich ging davon aus, dass er sich höchstwahrscheinlich auf dieses Projekt konzentrierte und rasch agierte. Zwar war das Risiko gewaltig, doch die Sache war es wert, wenn ich ihn dadurch davon abhalten konnte, ein riesiges Bild von mir auf die Front des Breakers zu projizieren.
    Also gut; ich würde es tun. Wenn Weiss in Palm Beach ansetzte, würde ich dort sein und ihn erwarten. Nachdem das geklärt war, schlug ich den Skizzenblock für einen letzten Blick auf den attraktiven Comic-Dexter auf. Doch ehe ich in einer selbstbewundernden Trance versinken konnte, parkte ein Wagen neben meinem, und ein Mann stieg aus.
    Es war Coulter.

28
    D etective Coulter lief um sein Auto, blieb stehen, sah mich an, ging dann zurück auf seine Fahrerseite und verschwand für einen Moment. Ich nutzte die Zeit, um den Skizzenblock unter meinen Sitz zu schieben. Coulter tauchte umgehend wieder auf und umrundete erneut das Heck seines Wagens, diesmal mit einer Zweiliterflasche Limonade in der Hand. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen seinen Wagen, sah mich an und trank einen großen Schluck. Dann wischte er sich mit dem Ärmel den Mund.
    »Sie waren nicht in Ihrem Büro«, begann er.
    »Nein«, räumte ich ein. Schließlich war ich hier.
    »Als der Funkspruch kam, dass es sich um Ihre Frau handelt, bin ich zu Ihnen gegangen, um Bescheid zu sagen«, sagte er achselzuckend. »Sie waren nicht dort. Sie waren bereits hier, stimmt’s?« Er wartete die Antwort nicht ab, was mir entgegenkam, da ich keine parat hatte. Stattdessen trank er noch einen Schluck Limonade, wischte sich wieder den Mund und sagte: »Dieselbe Schule, in der es den Pfadfinderleiter erwischt hat, hm?«
    »Das stimmt.«
    »Aber Sie waren schon hier, als es passiert ist?«, hakte er nach, wobei er sich alle Mühe gab, eine Miene unschuldiger Überraschung aufzusetzen. »Wie kam es denn dazu?«
    Ich war recht sicher, dass es Coulter nicht dazu veranlassen würde, mir die Hand zu schütteln und zu gratulieren, wenn ich behauptete, eine Vorahnung gehabt zu haben. Also verließ ich mich wieder einmal auf meinen legendären Scharfsinn und hörte mich antworten: »Ich habe mir gedacht, ich fahre hierher und überrasche Rita und die Kinder.«
    Coulter nickte, als hielte er das für äußerst glaubwürdig. »Eine Überraschung. Schätze, da ist Ihnen jemand zuvorgekommen.«
    »Ja«, antwortete ich vorsichtig. »Sieht so aus.«
    Er nahm wieder einen langen Zug aus der Flasche, doch diesmal wischte er sich nicht den Mund, sondern drehte sich um und starrte zur Hauptstraße, wo soeben der Abschleppwagen das Auto von Weiss abholte. »Haben Sie irgendeine Vorstellung, wer das Ihrer Frau und den Kindern angetan haben könnte?«, fragte er, ohne mich anzusehen.
    »Nein«, erwiderte ich. »Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass es eine Art Unfall war.«
    »Hm.« Er starrte mich an. »Ein Unfall. Jesus, daran habe ich gar nicht gedacht. Weil das nämlich dieselbe Schule ist, in der dieser Pfadfindertyp umgebracht wurde, wissen Sie. Und Sie sind auch wieder hier. Also echt. Ein Unfall? Ehrlich? Glauben Sie?«
    »Ich, ich – warum nicht?« Ich habe mein ganzes Leben lang geübt, und meine überraschte Miene war mit Sicherheit gut, doch Coulter wirkte nicht sonderlich überzeugt.
    »Dieser Typ, Donkeschitt«, begann er.
    »Doncevic«, verbesserte ich.
    »Wie auch immer.« Er zuckte die Achseln. »Sieht aus, als wäre er verschwunden. Wissen Sie etwas darüber?«
    »Woher sollte ich etwas wissen?« Ich legte so viel Erstaunen wie möglich in meine Miene.
    »Er hat gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen, seinen Freund im Stich gelassen und ist verschwunden«,

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