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Die schöne Mätresse

Die schöne Mätresse

Titel: Die schöne Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Justiss
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geangelt und gejagt hatte. Richard durfte einfach nicht sterben.
    Doch der graugesichtige, schweißüberströmte Mann auf dem Bett glich eher einem Schauspieler in Richards Maske als seinem engsten Freund. Schockiert blieb Evan am Krankenlager stehen.
    Andrea hinkte schnell zu ihm und ergriff die Hand ihres Bruders. „Richard, ich bin es, Andy. Ich bin jetzt bei dir. Alles wird gut werden. Evan“, fügte sie energisch hinzu, „kümmere dich darum, dass jemand kaltes Wasser und ein Tuch bringt.“
    Als die Nacht hereinbrach, saß Andrea immer noch am Bett ihres Bruders. Unermüdlich tupfte sie seine heiße Stirn und Brust mit dem feuchten Tuch ab und redete ihm mit ihrer sanften Stimme zu. Ihre Anwesenheit schien ihn zu beruhigen. Kurz vor dem Morgengrauen öffnete er endlich die Augen.
    „Andy?“ Es war nur ein Flüstern.
    „Ja, Richard.“ Eine Träne lief über ihre Wange, und sie streichelte das eingefallene Gesicht ihres Bruders. „Ich bin es, Andy.“
    „Durst“, krächzte Richard.
    Evan hob vorsichtig Richards Kopf an und verzog traurig die Lippen, als sein Freund aufstöhnte. Selbst die kleinste Bewegung schien ihm Schmerzen zu bereiten. Andrea flößte ihm einige Schlucke Wasser ein.
    „Evan“, sagte Richard und drehte etwas den Kopf, nachdem er wieder auf dem Kissen lag. „Gut. Müssen … reden.“
    „Ruh dich aus, Richard. Wir unterhalten uns später.“
    Eine abgemagerte, dünne Hand tastete nach Evans Fingern und ergriff sie. „Du bleibst?“
    „Natürlich. Ich werde jede Minute bei dir sein – auch in der Kutsche, wenn wir dich nach Hause bringen.“
    Der Verwundete lächelte schwach. „Nach Hause“, murmelte er und schloss die Augen.
    Stimmen erklangen hinter der Tür, und einen Moment später trat Evans Mutter ein. Bei Richards Anblick weiteten sich ihre Augen, und sie presste entsetzt die Hand vor den Mund. Nach einem Moment hatte sie sich wieder in der Gewalt und ging zu Andrea. „Hat sie gegessen oder sich ausgeruht?“ flüsterte sie Evan zu.
    „Nicht, seit wir angekommen sind.“
    Seine Mutter nickte und schüttelte Andrea sanft. „Du musst etwas essen und schlafen, meine Liebe. Wir brauchen deine Kraft, wenn wir ihn morgen nach Hause transportieren.“
    „Ich kann ihn nicht verlassen.“
    „Das musst du auch nicht. Ich habe den Wirt gebeten, ein zweites Bett aufzustellen. Trotzdem musst du dich stärken, und du wirst dich frisch machen wollen. Ich habe dir einiges mitgebracht. Komm. Evan wird uns sofort rufen, wenn es irgendeine Veränderung gibt.“
    Entschlossen überredete Lady Cheverly Andrea, sie nach unten zu begleiten, um etwas zu essen und frische Luft zu schnappen. Nachdem sie ihr die Treppe hinuntergeholfen hatte, kehrte seine Mutter zurück.
    „Wie steht es um ihn?“
    Evan schüttelte den Kopf, unfähig, die Aussage des Arztes zu wiederholen.
    Richard bewegte sich und öffnete die Augen. „Evan?“
    Evan beugte sich über seinen Freund. „Hier, Richard. Möchtest du noch etwas trinken?“
    „Nein. Reden.“
    „Du darfst dich nicht anstrengen. Wir können …“
    „Jetzt. Andreas … Briefe. Wollte niemals … nach London gehen. Hätte sie nicht zwingen sollen. Bring sie … nach Hause, bitte.“
    „Natürlich. Wenn sie nach Hause will, werde ich sie begleiten.“
    „Sie … braucht … einen guten Mann. Wenn ich … sterbe …“
    „Du wirst nicht sterben!“
    „Wenn ich … sterbe, heirate sie. Versprich es.“
    Evan schwieg. Der Duft nach Lavendel, das Flüstern einer Stimme kam ihm schmerzlich in den Sinn. Emily.
    Richard packte seinen Arm. Sein Griff war erstaunlich stark. „Heirate sie. Versprich … es mir.“
    Evan schluckte trocken. „Ich verspreche es.“
    Die Hand an seinem Arm erschlaffte. „Gut.“ Der kurze Anflug eines Lächelns war auf Richards Gesicht zu sehen. „Danke … Freund.“ Er schloss wieder die Augen und seufzte tief, als wäre eine große Last von ihm genommen worden.
    Evan hatte die Anwesenheit seiner Mutter völlig vergessen. Er zuckte zusammen, als sie sich über Richard beugte.
    „Ist er …?“ flüsterte sie ängstlich.
    „Nein. Er schläft nur.“
    Sie atmete auf. „Gott sei Dank! Ich werde Andrea holen.“
    Die drei hielten während der Nacht abwechselnd Wache. Evan konnte Andrea überreden, einige Stunden auf dem provisorischen Lager zu ruhen. Seine Mutter hatte sich inzwischen ein eigenes Zimmer herrichten lassen, aber Evan hielt sein Wort und blieb an der Seite seines Freundes. Und als die ersten Vögel

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