Die schöne Mätresse
strichen, dann über ihre Schläfen, Lider, Wangen und ihr Kinn. Langsam senkte er den Kopf.
„Das darfst du nicht“, wollte sie protestieren, doch sein Kuss machte dies unmöglich. Hätte er sie besitzergreifend an sich gezogen, hätte sie vielleicht die Kraft besessen, ihn wegzustoßen.
Doch auch der Kuss war sanft. Er drückte dasselbe schmerzliche Verlangen aus, das auch sie quälte. Wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, legte sie die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn.
Ach, wie sehr sie seine Nähe genoss. Hier an seiner Brust schwand ihre innere Zerrissenheit, und sie fühlte sich nicht mehr einsam. Nur hier konnte sie Frieden finden.
Dann nahm er sie auf die Arme.
„Eine Berührung“, hauchte sie. „Du sagtest, du würdest nach einer Berührung gehen.“
„Ich dachte, ich könnte es. Aber ich habe mich geirrt.“ Dieses Mal war sein Kuss wild und leidenschaftlich. Er presste sie fest an sich und trug sie die Treppe hinauf.
Emily saß im Bett und beobachtete Evan, der neben ihr schlief. Vergeblich versuchte sie die Woge der Zärtlichkeit zu ignorieren, die sie bei seinem Anblick durchströmte.
Es war bereits heller Tag und höchste Zeit, die nächtliche Verrücktheit zu beenden. Ihre Wiedervereinigung hatte nichts verändert.
Das Einzige, was ihr Gewissen beruhigte, war die Tatsache, dass er noch nicht verheiratet war. Dennoch würde seine Vermählung in kurzer Zeit stattfinden, und ihre gemeinsame Nacht war unentschuldbar.
Sobald er erwachte, würde sie es ihm sagen. Sie würde sich zwingen, ihn zum Gehen zu bewegen.
Oh, wie sehr sie hoffte, dass er noch lange schlafen möge.
Viel zu früh bewegte er sich. Als er die Augen öffnete und sie sah, erhellte ein Lächeln reinster Freude sein Gesicht. „Mein Liebling“, raunte er und zog sie in seine Arme.
Sie ließ es zu und hasste sich insgeheim für ihre Schwäche. Nur dieses letzte Mal noch würde sie neben ihm liegen und die wundervolle Geborgenheit seiner Umarmung genießen. Ein letztes Mal, bevor sie sich einer ungewissen, einsamen Zukunft stellen musste.
Er streichelte ihre Wangen, die zerzausten Locken an ihrer Schläfe. „Ich habe dich so sehr vermisst, Liebste – jede einzelne Stunde seit unserer Trennung. Natürlich habe ich mir pausenlos eingeredet, dass es das Beste sei, dass es sein müsse. Erst gestern Abend wurde mir klar, wie gründlich ich mich getäuscht hatte.
Wir müssen allerdings vorsichtig sein. Ich werde nicht jeden Abend zu dir kommen und leider in der Öffentlichkeit nicht mit dir sprechen können. Vielleicht werde ich ein Landhaus mieten. Es wäre leichter, London für einige Tage zu verlassen, und …”
Es dauerte einen Moment, bis sie die Bedeutung seiner Worte begriff. „Nein!“ Abrupt löste sie sich von ihm und setzte sich auf. „Wie kannst du so etwas nur erwägen?“
„Zugegeben, es hat sich nichts an den Umständen geändert, aber nach dieser Hölle der letzten Wochen weißt du sicher auch, dass wir zusammen sein müssen. Liebling, ich kann dir nicht viel anbieten, aber es ist immer noch besser als überhaupt nichts.“
Wie konnte er sein eigenes Gewissen beruhigen und ihres nicht als wichtig erachten? Wollte er wieder ihr Leben beherrschen und entscheiden, was sie tun sollte?
Sie unterdrückte ihren aufkeimenden Ärger. „Nein, Evan. Du besitzt so viel Macht, dass du glaubst, mich kontrollieren und einfach die Stimme des Gewissens übertönen zu können. Aber es ist nicht so einfach.“
Ungläubig richtete auch er sich auf. „Einfach?“ wiederholte er. „Glaubst du wirklich, irgendetwas bei uns sei jemals einfach gewesen? Weißt du nicht, dass ich durch all das meinen Ruf ebenso aufs Spiel setze wie deinen? Doch wenn ich es nicht tue, verdamme ich dich und mich weiterhin zu diesen unerträglichen Qualen, unter denen wir beide in den vergangenen sieben Wochen gelitten haben. In meinem tiefsten Herzen kann ich nicht glauben, dass alles, was wir teilen, falsch ist. Zwischen uns ist viel mehr als nur Lust! Nun, ich bin kein Philosoph und kann keine raffinierten Argumente vorbringen. Ich weiß nur, dass die Gefühle zwischen uns rein und aufrichtig sind. Willst du das etwa leugnen?“
Ihr Stolz erlaubte ihr nicht, ihm ihre Liebe zu gestehen. „Nenne es, was du willst. Aber es ist immer noch falsch.“ Er wollte über sie bestimmen, genau wie Papa und Andrews Vater. Nein, das durfte sie nicht zulassen! „Welches Recht hast du, meine Ehre zu ignorieren, als ob sie nicht wichtig
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