Die schöne Parfümhändlerin
seinen Adern im Rhythmus der Trommeln und Zimbeln, noch waren alle seine Sinne gereizt, noch roch er auf seiner Haut den Jasminduft von Juliettas Haar.
Julietta. Marcos streifte Wams und Hemd ab und ging zum Waschtisch, auf dem eine Schüssel und ein Wasserkrug standen. Gesicht und Brust bespritzte er sich mit kaltem Wasser, aber es kühlte sein heißes Fleisch nicht. Immer noch hatte er das Bild vor Augen, wie Julietta neben ihm auf dem seidenen Kissen lag, das schwarze Haar um sich herum ausgebreitet, die Lippen ein wenig geöffnet, bereit für seinen Kuss, verlangend nach seiner Liebkosung.
Und er? Wahnsinnig war sein Verlangen nach ihrer Liebkosung. Bei der Volta auf der Piazza, als er ihren schlanken, geschmeidigen Körper an sich gedrückt, dann hoch in die Luft gehoben und langsam wieder zu Boden gelassen hatte, da waren alle seine Sinne bis zur Schmerzgrenze gereizt gewesen. Er begehrte sie so sehr, als gäbe es keine andere Frau auf der Welt. Leider konnte er nicht den Genuss von zu viel Wein für seine Leidenschaft verantwortlich machen, denn er hatte bis dahin keinen Schluck getrunken. Möglicherweise war aber die ausgelassene Karnevalsstimmung schuld an seinem Zustand.
Nein. Er wusste, dass es nicht so war. Es lag an ihr. Ohne ihr Beisein konnte er ganz klar und kühl über seine sorgfältig entworfenen Pläne nachdenken. Dann wusste er genau, welch wichtigen Part sie darin spielen sollte. Doch sobald er in ihrer Nähe war, sobald er in diese geheimnisvollen dunklen Augen sah, sobald er ihre seidige Haut berührte, ihr Parfüm roch, verlor er die Beherrschung, vergaß er alle seine nüchternen Pläne.
„Verflixt!“, fluchte er und hieb wütend mit der Hand durch das Wasser, dass es wie ein silbriger Schauer auf den Holzboden spritzte. Fernhalten sollte er sich von ihr und auch von ihrem vermaledeiten Laden. Ihr Blick, ihre Berührungen verzauberten ihn. Ein Zauber, der seine Gedanken fortlockte, ihn das vergessen ließ,was er der Vergangenheit schuldete und bei den toten Seelen der Seinen gelobt hatte. Ob sie sich magischer Kräfte bediente?
Sie brachte es fertig, dass er sich selbst aufgab. Wenn er ehrlich mit sich selbst war, wusste er ganz genau, dass sie sich nicht der Hexerei bediente. Es war seine eigene Schwäche, die ihn zu ihrer geheimnisvollen, außergewöhnlichen Schönheit hinzog. Eine Schwäche, die er überwinden musste, wenn er sein Gelübde erfüllen und dem Ruf des Meeres wieder folgen wollte.
„Eigentlich schade“, murmelte er und starrte dabei in den kleinen Spiegel vor sich an der Wand. Er sah nicht sein nasses Gesicht, nicht sein feuchtes Haar. Nein, er glaubte tatsächlich, Julietta im Spiegelbild zu erblicken. So bleich und ernst, wie sie ausgesehen hatte, als sie sich vom Tarocktisch erhoben, sich umgedreht und ihn angeschaut hatte. Er sah ihre großen, fragenden Augen, in denen ein Verdacht aufflackerte.
Julietta Bassano … was ist Euer Geheimnis?, fragte er sich. Was habt Ihr zu verbergen? Was will Ermano wirklich von Euch?
Ja, er sollte sich unbedingt von ihr fernhalten. Aber er konnte es nicht. Er brauchte sie, sie war der fehlende Stein in seinem Spiel. Bis sein Gelübde erfüllt war, so lange waren sie untrennbar aneinandergekettet. Das war ihr gemeinsames Schicksal. Sicher hatte das in jenen goldgeränderten Karten gestanden. Wäre er ihr anderswo begegnet, in Spanien, in Frankreich oder auf einer weit entfernten Insel, dann …
Es war müßig, darüber nachzudenken. Das wusste er nur zu gut. Er war kein Handelsschiffer mehr. Und sie war keine señorita, die er heiraten konnte und die auf seiner hacienda in Sevilla auf ihn wartete, bis er von seinen Reisen heimkehrte. Jeder von ihnen hatte ein Schicksal, dessen Regeln es zu folgen galt. Sonne und Mond, beide waren gefangen in ihrer eigenen Welt.
Er langte nach dem Handtuch neben der Waschschüssel. Während er sich mit dem Tuch Gesicht und Brust trocknete, fiel sein Blick auf die Gegenstände auf dem Tisch. Seife, das Rasierbesteck, ein Lederetui und der Flakon aus violettem Glas, den er für seine Mutter gekauft hatte.
Das Fläschchen stand nicht mehr dort, wo er es hingestellt hatte, neben dem Kästchen. Es befand sich nun am Tischrand.
Verwundert nahm Marcos das Parfümfläschchen in die Hand, hielt es ins Licht, um es genauer zu betrachten. Unschuldig glitzerten die kostbaren Schmucksteine. Julietta hatte den kleinen Stöpsel mit einem dünnen Wachsring versiegelt. Das Wachs schien unversehrt zu sein.
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