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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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Doch in dem roten Glas entdeckte er zwei winzige Kerben. Er hätte schwören können, dass sie vorher nicht da gewesen waren.
    Marcos stellte den Flakon zurück und nahm das Rasiermesser. Mit der scharfen Klinge stutzte er jeden Morgen seinen Bart. Ein ebenso gutes Werkzeug, um damit jemandem die Kehle aufzuschlitzen.
    Blitzschnell drehte er sich um. Sein Blick ging in jeden einzelnen Winkel des Zimmers. Alles schien so, wie er es verlassen hatte. Die schweren roten Samtvorhänge am Bett waren zurückgezogen, die Bettdecke lag glatt über den Nackenrollen. Tisch und Stühle standen vor dem erloschenen Kaminfeuer, die Vorhänge an den Fenstern waren beiseitegezogen. Kühl und unpersönlich wirkte der Raum, wie stets in solchen Herbergen.
    Seine Truhe, eine ramponierte Eichenkiste, die er während langer Nachmittage auf See mit Schnitzereien von Meerjungfrauen und Schlangen verziert hatte, stand noch an ihrem ursprünglichen Platz am Fußende des Bettes. Das Schloss war unversehrt. Aus der Innenseite seines achtlos auf den Boden geworfenen Wamses holte er einen kleinen Schlüssel, öffnete das Schloss und hob den Deckel. Nichts schien angetastet zu sein. Die Kleidungsstücke waren ordentlich gefaltet, seine Papiere waren noch aufgerollt, Bänder und Siegel unbeschädigt. Nur der dünne blaue Faden, den er über den Rand der Truhe unter den Deckel gespannt hatte, lag nun auf einem Stapel ordentlich gefalteter Hemden. Und es war bestimmt nicht er gewesen, der den Faden dorthin befördert hatte.
    Wer auch immer es gewesen sein mochte, derjenige war längst verschwunden und hatte weder seine Fußspuren auf dem staubigen Boden noch sein Parfüm in der Luft zurückgelassen. Doch nun war Marcos sicher, dass er besonders wachsam sein musste. Auch wenn er Julietta Bassano in seinen Armen hielt.
    Oder ganz besonders, wenn er Julietta Bassano in seinen Armen hielt.

10. KAPITEL
    „Signora! Wacht auf, Signora!“ Selbst als Bianca ihre Herrin an der Schulter schüttelte, drehte sich Julietta nur unwillig auf die Seite. „Wacht auf“, rief Bianca noch einmal.
    „Hmm“, murmelte Julietta. Sie hatte dröhnende Kopfschmerzen und wollte nur in Ruhe gelassen werden. Doch selbst als sie noch tiefer unter die Bettdecke kroch, gab Biancakeine Ruhe. Sie zerrte ihre Herrin so lange am Ärmel, bis Julietta sich schließlich aufsetzte.
    Verschlafen blinzelte sie die Dienerin an. „Ist es schon an der Zeit, den Laden zu öffnen?“ Julietta strich sich die Haare aus dem Gesicht. Bevor sie todmüde ins Bett gefallen war, hatte sie völlig vergessen, das offene Haar wieder zu einem Zopf zu flechten.
    Im Gegensatz zu ihrer Herrin sah die Magd aus, als hätte sie einen gesunden und erholsamen Nachtschlaf gehabt. Ihre krausen Haare waren ordentlich unter der makellosen weißen Haube versteckt. Der gestreifte Rock und das rosafarbene Mieder waren sauber und frisch gebügelt. Mit klarem Blick und einem freundlichen Lächeln hielt sie Julietta ein kleines Tablett hin.
    „Ich dachte, Ihr könntet eine kleine Stärkung vertragen“, erklärte sie. Ihr Ton klang leicht verärgert. „Ich habe auch schon Wasser für ein Bad heiß gemacht.“
    Julietta drehte sich der Magen um, als sie auf den Becher mit Dünnbier und das duftende, frisch gebackene Brot blickte. Sie war nicht sicher, ob sie überhaupt einen Bissen hinunterbekam. Doch wenn sie den Tag überstehen wollte, dann musste sie etwas essen. Widerwillig riss sie ein kleines Stück vom Brot ab und kaute es langsam.
    Unterdessen hatte Bianca bereits damit begonnen, schnell und energisch die Kammer aufzuräumen. Zuletzt strich sie die Spitzen an Juliettas Seidenrobe glatt und legte sie ordentlich gefaltet in die Kleidertruhe. Dann entwirrte sie die Bänder an der Maske und den Brokatschuhen.
    „Wie war die Nacht, Signora?“, fragte sie, während sie sich nach getaner Arbeit ans Fußende von Juliettas Bett setzte. „Fabelhaft?“
    Julietta nahm einen Schluck Dünnbier. Bianca hatte dem Getränk ihre besondere Gewürzmischung beigegeben, die zuverlässig den Kopfschmerz verjagte. „Ja, wirklich fabelhaft. Sehr viele Menschen waren unterwegs.“
    „Und die Musik? Auch fabelhaft?“, fragte Bianca hartnäckig weiter. Ihre großen dunkelbraunen Augen strahlten. „Und wunderschöne Kleider?“
    Julietta bekam plötzlich ein ganz schlechtes Gewissen. Wieso war ihr nie in den Sinn gekommen, dass sich auch Bianca manchmal nach Fröhlichkeit sehnen könnte? Sie schien immer so glücklich, so ehrlich

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