Die schöne Parfümhändlerin
bemüht, zu helfen und zu lernen, wie man feine Düfte herstellt und ein Geschäft führt. Julietta nahm sich vor, darauf zu bestehen, dass Bianca alsbald auch eine Nacht den Karneval erleben sollte. Ja, warum eigentlich nicht schon die kommende Nacht?
War sie wirklich so großzügig, oder war es nur ein Vorwand? Suchte sie vielleicht nur einen Grund, um sich allein in ihrer Kammer zu verkriechen und nicht an Marcos Velazquez und die Geschehnisse der vergangenen Nacht denken zu müssen?
Darüber musste sie später nachdenken. Später, nachdem sie ein Bad genommen hatte, frisiert und angekleidet war. Später, wenn sie wieder sie selbst war und nicht dieses leichtfertige Frauenzimmer, das bis vormittags im Bett lag. Julietta langte nach dem Elfenbeinkamm auf ihrem Nachttisch, und während sie damit ihre wirren Haare glättete, beschrieb sie Bianca einige der Kostüme und Masken, die sie auf dem Fest gesehen hatte. Sie erzählte von den vielen Hundert Lichtern auf der Piazza, die San Marco zum Strahlen gebracht hatten, von der Musik, von den Tänzen und den vielen Weinbrunnen.
„Und Il leone?“, fragte Bianca mit einem kleinen verstohlenen Lächeln. „Ist er ein guter Tänzer?“
„Sehr gewandt.“ Mehr wollte Julietta nicht sagen, aber sie erinnerte sich plötzlich ganz genau an das Gefühl, mit welcher Leichtigkeit er sie mit seinen starken Armen in die Höhe gehoben und wie eine Feder in der Luft balanciert hatte. Mit welcher Leidenschaft, mit welchem Begehren sich ihre Körper im Tanz aneinandergeschmiegt hatten. Sie erinnerte sich, wie sie ihre Beine um seine Hüften, ihre Arme um seinen Nacken schlingen und ihn nie wieder hatte loslassen wollen.
„Na, darauf hätte ich auch gewettet. So stark und geschmeidig, wie der aussieht“, riss Bianca sie aus ihren Gedanken, dass ihr der Kamm aus der Hand in den Schoß fiel. „Bestimmt haben alle Frauen Euch beneidet, Madonna.“
Julietta nahm den Kamm wieder zur Hand und zerrte ihn so heftig durch ihre wirren Locken, dass ihr die Tränen in die Augen traten und sie den Tanz vergaß. „Wir waren maskiert. Niemand konnte ihn erkennen.“
Bianca kicherte. „Ach, ich wette, dass viele ihn allein an der Figur erkannt haben! Diese breiten Schultern, diese schmalen Hüften, das …“
„Ja, Bianca“, schnitt ihr Julietta das Wort ab.
Aber Bianca fuhr unbeirrt fort: „Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen. Nur um das prächtige Paar, das Ihr seid, zu sehen und die Musik zu hören.“
„Warum gehst du nicht heute Nacht aus?“, schlug Julietta vor. Flink flocht sie die Haare zu einem langen Strang, befestigte das Ende mit einem schwarzen Band und warf sich den Zopf schwungvoll über die Schulter. „Ich kann den Laden derweil bewachen.“
„Gerne, Madonna. Oh, beinahe hätte ich es vergessen. Vielleicht müsst Ihr ja heute Nacht auch wieder ausgehen.“ Sie langte in ihre Schürzentasche und zog eine Pergamentrolle hervor. „Dies wurde heute in der Frühe für Euch abgegeben. Etwa eine neue Einladung?“
Julietta blickte auf die vornehme Rolle, deren Band mit einem grünen Wachsklümpchen versiegelt war. Ihr Herz schlug schneller. Eine Nachricht von Marcos? Schon? Doch in dem Moment, in dem sie nach der Rolle griff, wusste sie, dass es nicht so war. Das edle Pergament roch nicht nach klarem Meerwasser, eher nach Bergamotte und Rosen.
Conte Grattiano. Das flaue Gefühl im Magen machte sich wieder bemerkbar.
Sie brach das Siegel, rollte die Nachricht auf und überflog hastig die galanten Worte, die dort in dicker schwarzer Tinte geschrieben waren. „In der Tat ist es eine Einladung“, erklärte sie steif. „Aber keine, Bianca, wonach dein verträumtes Herz sich sehnen würde.“
„Nicht? Kein Liebesbrief von Il leone?“
„Überhaupt kein Liebesbrief.“ Dafür sei dem heiligen San Giovanni Lob. So früh am Morgen hätte sie die blumigen Beteuerungen des Conte nicht ertragen können. „Eine Einladung für heute Abend. Von Conte Grattiano zu einem Festmahl in seinem Palazzo.“
Bianca sah sie enttäuscht an. „Werdet Ihr gehen?“
Julietta wollte nicht gehen. Ermano Grattianos Gesellschaft war stets kräftezehrend, und ein langes festliches Abendessen in seinem Hause war bestimmt doppelt ermüdend. Doch weiter in der Botschaft las sie, dass Ermano so klug gewesen war, ihr mitzuteilen, dass viele wichtige Adelige und reiche Kaufleute eingeladen waren. Alles Namen von Leuten, die ihre treuen Kunden waren oder die sie in Zukunft gerne als Kunden
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