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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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Mit festem Blick begegnete sie den anderen Gästen, den Mächtigen und Reichen und denen, die sich wundern mochten, was eine Parfümhändlerin in ihrer Mitte zu suchen hatte. Sie alle erwiderten ihren Blick, aber noch wagte es keiner, sie anzusprechen. Sie blieben in kleinen oder größeren Grüppchen beieinander stehen – ein Bild wie in einer Szene aus der Commedia dell’Arte.
    Julietta ließ sich von einem Diener einen Pokal Wein reichen und suchte sich eine stille Ecke, von der aus sie den prunkvollen Saal und die Gäste in aller Ruhe betrachten konnte. Die Geschichten, die man sich in ihrem Laden über den Palazzo Grattiano erzählt hatte, waren durchaus nicht übertrieben. Prächtig wie die vielen Säle im Dogenpalast war auch diese Halle ausgestattet. Die hohe Decke schmückte ein Fresko mit tollenden Göttergestalten und Schäfern. An den Wänden hingen riesige Wandbehänge. Der Fußboden war aus poliertem, goldgeadertem Marmor. Die Luft war geschwängert vom Rauch der vielen Hundert Wachskerzen, die in unzähligen vergoldeten Wandhaltern und Kandelabern brannten. Es war der passende Rahmen für die Seidenroben und den edlen Schmuck der Gäste, die immer noch in den Saal strömten.
    Julietta nippte an ihrem Wein. Sie betrachtete das festliche Gepränge wie ein Schauspiel, das zu ihrer Unterhaltung aufgeführt wurde. Es hatte sie schon immer fasziniert, zu beobachten, wie die Menschen miteinander umgingen, wie sie schäkerten, wie sie lachten – oder völlig ernst blieben. Wie sie sich auf hintergründige Weise gegeneinander ausspielten. Ein immerwährendes vielschichtiges Spiel.
    Anders als auf Nicolai Ostrovskys wunderlicher Feier fühlte sich Julietta in diesem Festsaal als unbeteiligte Beobachterin. Dort war ihre kühle Zurückhaltung in dem Moment verflogen, als sie in Marcos’magische blaue Augen geblickt und seine Berührung gespürt hatte. Dort war sie mitten in ein fröhliches, lebendiges Fest eingetaucht und hatte sich von der Lebenslust der anderen Gäste mitreißen lassen. Darin lag aber auch die Gefahr. Hier – hier war sie sicher. Selbst im Haus ihres Feindes war sie sicherer, als sie es in Marcos Velazquez’Armen gewesen war.
    Eine kleine Gruppe, die in der Mitte des Saales um den Gastgeber herumgestanden hatte, löste sich auf. Conte Grattiano trug heute Abend ein purpurrotes Gewand mit Silberstickerei und einem Besatz aus glänzendem Silberfuchs, der Farbe, die auch sein lockiges Haar hatte. An seinen dicken Fingern glänzten die Edelsteine, als er gestikulierend einen Witz kommentierte. Hingerissen, so als halte er ihr Glück und Schicksal in Händen, lauschten die Umstehenden seinen Worten. Er aber schien sie alle gar nicht zu bemerken. Nur kurz streifte sein Blick einen Gast, dann suchte er sich schon das nächste Opfer. Munter scherzte er mit den männlichen Gästen, hofierte die Damen und machte ihnen Komplimente.
    Immer mehr näherte sich sein scharfes Auge Juliettas Ecke. Sie wich zurück bis an den Wandteppich, doch es war zu spät. Ermano hatte sie bereits entdeckt. „Ach, da ist ja die reizende Julietta Bassano!“, heuchelte er lautstark Erstaunen. „Wie glücklich bin ich, dass Ihr mein Heim heute Abend mit Eurer Anwesenheit schmückt.“
    Natürlich drehten sich alle Umstehenden sofort nach ihr um. Doch niemand ließ sich seine Verwunderung anmerken, dass der Conte sie mit dieser außerordentlichen Aufmerksamkeit begrüßte. Keiner verlor sein unverbindlich höfliches Lächeln, und jeder machte dem Conte ehrfurchtsvoll Platz, als er auf Julietta zusteuerte.
    „Conte Grattiano“, grüßte Julietta mit einem Knicks. „Eure Einladung ehrt mich.“
    „Ach, nicht der Rede wert!“, erwiderte er und griff nach ihrer Hand. Aber anstatt sie nach der Begrüßung wieder loszulassen, hielt er ihre Finger mit seinen beiden Händen fest umschlossen.
    Julietta schenkte ihm ein steifes Lächeln. Es kostete sie große Überwindung, ihre Hand nicht barsch zurückzuziehen. Die in ihrer Jugend in Mailand lang geübten gesellschaftlichen Umgangsformen waren ihr auch nach langen Jahren immer noch selbstverständlich.
    „Im Gegenteil, ich fühle mich äußerst geehrt durch Euer Kommen. Obwohl es mich noch mehr erfreut hätte, wenn Ihr mir erlaubt hättet, Euch meine Gondel zu schicken. Doch … wie findet Ihr denn mein Domizil, Signora Bassano?“
    „Wunderschön, Conte Grattiano. Ich bin sicher, es gibt kein schöneres Haus in Venedig.“
    Für solches Lob hatte Ermano nur ein

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